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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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Heimweh zermürbt, und er hat versucht, es in Alkohol zu ertränken?«
    »Nichts dergleichen. Es ging ihm einfach gut. Und Heimweh? Nein, nein, er hat mal gesagt, er würde bedauern, daß es keine Labors mit angeschlossenen Apartments gäbe. Er hätte am liebsten da geschlafen. Solche Forscherseelen kennen kein Heimweh im landläufigen Sinne. Und was deine erste Frage angeht: Er hielt sich seit gut zehn Monaten in New Haven auf.«
    »Wo war er denn vorher?« fragte Green beiläufig.
    Angela zögerte einen Augenblick. »Ich glaube, hier in London, am Imperial College. Aber ehrlich gestanden, ich weiß nicht besonders viel über sein Berufsleben.«
    »Was also schließt du aus alldem?«
    Die junge Frau zuckte unschlüssig mit den Schultern. »Ich weiß nicht, Idwood, ich habe nur ein ungutes Gefühl. Ich werde morgen nach New Haven fliegen und die Überführung organisieren. Wenn ich nur wüßte, bei wem und wie ich mehr über die Umstände seines Todes erfahren könnte!«
    Green ahnte langsam, was die beiden, und vor allem Jeanne, ausgeheckt hatten. Er blickte seine Freundin mit gerunzelter Stirn an.
    Jeanne lächelte betont unbefangen zurück. »Hast du nicht vorhin angedeutet, daß du gerne Urlaub machst? Warum begleitest du Angela nicht? Ihr seid doch in drei Tagen wieder zurück! So lange wird Abbott doch auf dich verzichten können, oder nicht?«
    »Ihr Mädels macht mir ja Spaß! Ich weiß nicht, ob der Chef da mitspielt. Es ist alles etwas sehr kurzfristig, findet ihr nicht?«
    »Du bist ja erst heute wiedergekommen, du Schlaumeier«, frotzelte Jeanne, »sonst hätten wir dich schon früher informiert.«
    Angela legte ihre Hand auf Greens Unterarm. »Es wäre wirklich eine große Beruhigung und Hilfe für mich, wenn du mitfliegen könntest, Idwood«, sagte sie leise.
    Er starrte einen Moment lang bewegungslos auf sein leeres Glas und seufzte dann übertrieben laut. »Weiber!« brummte er leise und blickte in zwei hoffnungsvolle Frauengesichter.
    »Du fliegst also mit?« Jeannes hübsches Gesicht strahlte wie die griechische Mittagssonne. »Ehrlich, Idwood, das werde ich dir niemals vergessen! Du bist einfach ein Schatz. Sollte ich jemals etwas Gegenteiliges bemerkt haben, vergiß es einfach, okay?«

New Haven, Connecticut, USA
    K atie Pafka fühlte sich hundeelend und verzweifelt. Nachdem die Nachricht von Charles Kossoffs schrecklichem Unfall am Morgen das Institut erschüttert hatte, war sie wie von Sinnen und in Tränen aufgelöst durch die Stadt gerannt; wie lange, wußte sie gar nicht mehr genau. Erst gegen Abend hatte sie den ersten klaren Gedanken fassen können.
    Tot, überfahren, nicht mehr da.
    Die Trauer schnürte ihr die Kehle zu und mischte sich langsam mit kalter Wut. Wut auf sich selber. Sie hätte ihm gestern abend mehr Anlaß geben sollen, mit ihr auszugehen. Vielleicht hätte er seine Experimente stehen- und liegenlassen, wenn sie ihm die Wahrheit gesagt und ihm erklärt hätte, wie sehr sie ihn liebte und daß sie ihre Arbeit in den Abend verlegt hatte, um wenigstens in seiner Nähe zu sein. Wenn sie zusammen zu Archie Moore's gegangen wären, hätte er noch leben können.
    Zu spät.
    Wieder schossen ihr die Tränen in die Augen. Sie nahm die Abzüge aus dem Fixierbad und legte sie in den großen Trog, um sie zu spülen. Das kalte Wasser am Puls tat gut. Ein Glück, daß sie sich aufgerafft hatte, ins Fotolabor zu gehen, um sich mit Arbeit abzulenken. Allein in ihrer Wohnung wäre alles noch einmal so schlimm gewesen.
    Warum war er bloß ohne sie weggegangen? Sie hatte doch extra auf ihn gewartet. Und dann ging er allein und betrunken nach Hause.
    Die junge Frau hielt inne. Moment mal! Betrunken?? Das war doch Unsinn! Er hatte während seiner Zeit in Yale noch nie einen Tropfen Alkohol zu sich genommen. Außerdem hatte er doch gearbeitet wie der Teufel gestern abend. Auch kurz vor Mitternacht, als sie ihn heimlich durch den Türspalt beobachtet hatte, war er konzentriert bei der Sache gewesen.
    Katie schüttelte langsam und bestimmt den Kopf. Irgendwas stimmte da nicht! Wieso behauptete die Polizei, Charles sei stockbetrunken, mit 2,2 Promille Blutalkohol, auf die Straße getorkelt? Wo sollte er in der kurzen Zeit derartig viel getrunken haben, und das als Antialkoholiker?
    Die Fotografin spürte ein Kribbeln in der Nähe des Rückgrats. Ob Charles in irgendeine krumme Sache verwickelt gewesen war? Sie dachte zurück an den Tag vor etwa drei Wochen, als er ihr ein kleines Päckchen
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