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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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um die interessanten von den uninteressanten Reaktionsprodukten trennen zu können. Er wollte deshalb die vierundvierzig Pröbchen in ein elektrisches Feld bringen, in dem die negativ geladenen DNA-Abschnitte zum Pluspol gezogen wurden. Als Träger- und Trennmedium verwendete er routinemäßig Agarose, ein Zuckerpolymer, das aus Algen gewonnen wurde. Wenn die unterschiedlich großen DNA-Stücke im elektrischen Feld durch diese Gelmatrix wanderten, wurden sie von der Agarose um so stärker gebremst, je größer sie waren. Nach Beendigung des Experiments ließ sich die DNA durch Ethidiumbromid, einen Fluoreszenzfarbstoff, markieren und konnte durch diesen Trick unter Bestrahlung mit ultraviolettem Licht sichtbar gemacht werden.
    Charles Kossoff stöhnte leise auf. In all dem Chaos konnte er den Erlenmeyerkolben mit der vorbereiteten Agarose nicht finden. Wo zum Teufel hatte er den bloß wieder hingestellt? Am Wochenende würde er endlich mal aufräumen müssen.
    Er griff in das Hängeregal vor sich und entfernte seufzend eine drei Tage alte Ausgabe der New York Times, die an den im Regal stehenden Vorratsflaschen lehnte. Ah, da war ja auch der Agarosekolben.
    »Hi, Charles!«
    Vor Schreck hätte Kossoff fast den Glasbehälter fallen gelassen. Er wandte den Kopf und blickte gespielt vorwurfsvoll in das Gesicht der zierlichen jungen Frau, die ihren Kopf mit den kurzen braunen Haaren durch die halbgeöffnete Labortür gesteckt hatte und ihn freundlich anlächelte.
    »Meine Güte, Katie, da bleibt einem ja das Herz stehen! Mach das bloß nicht noch mal! Für einen Mann in meinem Alter kann das einen Infarkt bedeuten.«
    Katie lachte auf. »Könnte es sein, daß der Herr mit seinen zweiunddreißig Jahren jetzt ein wenig kokettiert?«
    »Du hast gut reden, du junges Ding!« flachste Kossoff zurück. Sie lächelten sich an. Immerhin war Katie Pafka auch schon achtundzwanzig. »Hast du mich aus einem bestimmten Grund erschreckt, Königin der Dunkelkammer?«
    »Sicher«, nickte die junge Frau. Als Fotografin hatte sie neben den Fotoarbeiten auch die gesamten Grafikarbeiten und Layouts für die Forschungspublikationen in ihre geschickten Hände genommen.
    »Ich wollte dich fragen, ob du Lust hättest, mich auf einen Sprung in Archie Moore's Pub zu begleiten, etwas essen und trinken. Ich dachte da an Giant Nachos und Watney's.«
    Charles zuckte bedauernd die Achseln. »Ich befürchte, das ist keine Frage der Lust. Ich hab noch 'ne Menge Arbeit heute abend.« Er deutete auf den Kolben in seiner rechten Hand. »Aber ich begleite dich wenigstens bis auf den Flur zum Mikrowellenherd, um mir ein leckeres Gelchen zu kochen.«
    Katie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Wissenschaftler!« seufzte sie, um dann hoffnungsvoll hinzuzufügen: »Falls du früher fertig sein solltest, als du jetzt glaubst, kannst du mir ja Bescheid sagen. Ich bin im Fotolabor. Am Montag beginnt der Kongreß in Washington, und alle sind wie wild hinter den letzten Fotos und Grafiken ihrer Ergebnisse her. Das kostet mich bestimmt noch das freie Wochenende.«
    Kossoff nickte wortlos und ging dann zum Mikrowellenherd. Noch gute drei Stunden arbeitete er konzentriert weiter, bis er die für sein Experiment wichtigen DNA-Stücke von den anderen getrennt hatte. Dann stellte er gedankenverloren das Radio ab, löschte das Licht und ging zum Lift, der ihn zwanzig Sekunden später im vollklimatisierten Marmorfoyer des Kline Tower absetzte. Er verließ das Gebäude durch eine kleine Seitentür und schlenderte langsam in nördlicher Richtung davon. Der Weg nach Hause führte zunächst durch die Grünanlagen am altertümlich aussehenden, zinnenbewehrten Chemischen Institut vorbei und endete an der abschüssigen Allee hinter dem unterirdischen Teilchenbeschleuniger der Physikalischen Institute. Diese Allee stieß hundert Meter weiter auf die Whitney Avenue. Kurz davor zweigte die Ronan Street ab, an deren Ende das Apartmenthaus stand, in dem Charles Kossoff wohnte.
    Als er in die Allee einbog, kam ihm von der Whitney Avenue ein Liebespaar entgegen, das eng aneinandergeschmiegt damit beschäftigt war, allerlei Zärtlichkeiten auszutauschen. Bei diesem Anblick fiel Kossoff plötzlich ein, daß er Katie Pafka in ihrem Fotolabor ganz vergessen hatte. Er verlangsamte seinen Schritt und überlegte, ob er zurückgehen sollte, um sie doch noch zu Archie Moore's auszuführen. Dann lächelte er dem näher gekommenen Liebespärchen kurz und freundlich zu und machte kehrt.
    Damit verlor
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