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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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Ich freu mich auch!«
    Fünf vor halb neun betrat Green das älteste Gasthaus Londons, Spaniard's Inn, und machte es sich auf einem der Hocker an der Theke bequem, um sich die Wartezeit mit einem Pint Watney's zu verkürzen. Kurz darauf erschienen auch Jeanne Lumadue und ihre Freundin.
    Angela MacRae war ein zierliches Geschöpf mit halblangen dunkelbraunen Haaren und klugen Augen. Im Moment allerdings schien sie bedrückt und gedankenverloren. Während des Aperitifs versuchte Green, die Stimmung etwas zu lockern.
    »Kennt ihr beiden euch schon länger?«
    Die Damen tauschten einen versonnenen Blick.
    »Das kann man schon sagen«, nickte Jeanne. »Wir haben zusammen volontiert; bei der Times. Qualität setzt sich eben durch. Deshalb hat es Angela auch bis zur stellvertretenden Ressortleiterin Kultur bei der BBC gebracht. Was hast du dagegenzuhalten?«
    Green setzte das Sherryglas ab und lachte kurz auf. »Ich bin der urlaubsgeilste Geheimagent der westlichen Hemisphäre; das ist doch auch schon was!«
    Jeanne starrte ihn einen Moment lang mit offenem Mund an, bevor sie eine eindeutige Handbewegung zur Stirn machte. Dann wurde sie schlagartig ernst.
    »Also hör zu, Idwood, Angela hat ein Problem, und möglicherweise kannst du ihr einen Rat geben.«
    »Wieso ich?«
    »Das wirst du schon merken, Sherlock Holmes.«
    Angela MacRae begann zögernd zu sprechen, und Green fragte sich, woher diese zierliche Person die dunkle Stimme nahm.
    »Es … es geht um meinen Bruder. Er ist vor einigen Tagen bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen.« Sie stockte.
    Green fuhr sich langsam mit der Hand übers Gesicht. »Tut mir leid, Angela.« Er blickte etwas unsicher zu Jeanne hinüber. Dann wandte er sich wieder ihrer Freundin zu. »Wie ist denn das passiert?«
    »Er ist überfahren worden«, erwiderte Angela leise. »Abends, als er von der Arbeit nach Hause gehen wollte.«
    »Hier in London?«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Er arbeitete in den USA, an der Yale University.«
    »War er Wissenschaftler?«
    »Ja, Biologe. Allerdings muß ich zugeben, daß ich nicht viel über seine Arbeit weiß; wir hatten in den letzten Jahren nicht allzuviel Kontakt.«
    »Wie hieß er?«
    »Charles. Charles Kossoff.«
    Green lüftete die rechte Augenbraue, kam aber gar nicht dazu, seine nächste Frage zu stellen, denn Jeanne, die ihn aufmerksam beobachtete, kam ihm mit der Antwort zuvor. »Angela war verheiratet und lebt von ihrem Mann getrennt.«
    Green seufzte. »Sie liest in mir wie in einem offenen Buch.« Er zögerte kurz. »Also, wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, gibt es ein Problem bei der ganzen Sache.«
    Angela nickte. »Ja, das stimmt. Allerdings weiß ich nicht, ob ich mir nur etwas einbilde. Ich bin ziemlich durcheinander.«
    »Nur Mut, vielleicht können wir dein Problem ja lösen«, gab Green sanft zurück.
    »Also, die Sache ist die, daß in der Nachricht vom Tod meines Bruders, die mir von einem Yard-Beamten überbracht wurde, steht, daß Charles von einem Auto überfahren wurde; nachts, als er vom Labor nach Hause gehen wollte.« Ihre Stimme stockte, bevor sie fortfuhr. »Was mich so beunruhigt hat, ist die Angabe, daß er total betrunken auf die Straße getorkelt sein soll.«
    »Hm«, machte Green, »was ist daran beunruhigend? Ich bin auch schon mal besoffen auf die Straße getorkelt.«
    »›Schon mal‹ ist gut!« warf Jeanne milde lächelnd ein.
    Idwood grinste zurück. »Stimmt, seitdem ich dich kenne, mußte ich mir aus Verzweiflung häufiger einen hinter die Binde kippen. Aber im Ernst, Angela, wo ist das Problem?«
    Die hübsche junge Frau sah ihn fest an. »Charles hat noch nie Alkohol getrunken!«
    »Was heißt das: noch nie?« fragte Green verdattert.
    »Na, eben noch nie! Er war Antialkoholiker aus Überzeugung. Unser … unser Vater hat ziemlich viel getrunken, verstehst du? Es war nicht immer sehr angenehm zu Hause, vor allen Dingen für unsere Mutter nicht. Charles hat sich damals geschworen, niemals Alkohol anzurühren.«
    Green kratzte sich am Kopf. »Aber Angela, du hast doch vorhin gesagt, ihr hättet wenig Kontakt gehabt. Vielleicht hat er es in letzter Zeit mit seinem Gelübde nicht mehr so ernst genommen?«
    »Wir haben uns vor gut sechs Wochen zum letzten Mal getroffen. Er war hier in England zu Besuch. Zwei Wochen lang. Ich bin sicher, daß ich mich nicht irre!« beteuerte Angela.
    Jeanne mischte sich ein. »Angela, wie lange war er denn schon in den USA? Vielleicht hat ihn das
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