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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel
Autoren: Jules Verne
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Erster Theil.
Erstes Capitel.
Das Quartett.
    Wenn eine Reise schlecht anfängt, nimmt sie gewöhnlich auch kein gutes Ende. Diesen Glaubenssatz hätten wenigstens die vier Musiker unterschreiben können, deren Instrumente hier auf der Erde umherlagen. Die Coach, worin sie an der letzten Eisenbahnstation hatten Platz nehmen müssen, war nämlich soeben gegen die Böschung des Weges hier plötzlich umgestürzt.
    »Es ist doch keiner verwundet? fragte der Erste, der sich schon, wenn auch mühsam, wieder aufgerichtet hatte.
    – Ich bin mit einem Ritz in der Haut davongekommen, antwortete der Zweite, indem er sich die durch eine gesprungene Kutschenscheibe verletzte Wange abwischte.
    – Und ich mit einer Hautabschürfung!« erwiderte der Dritte, von dessen Wade ein Tröpfchen Blut hervorquoll.
    Niemand hatte also ernstlichen Schaden genommen.
    »Doch mein Violoncell! rief der Vierte. Wenn nur mit meinem Violoncell nichts passirt ist!«
    Zum Glück erweisen sich die Instrumentenkästen alle unversehrt. Weder das Violoncell, noch die Bratsche oder die beiden Violinen hatten von dem Stoße gelitten, ja es war sogar kaum nöthig, sie neu zu stimmen. Eine vortreffliche Sorte Instrumente, nicht wahr?
    »Verwünschte Eisenbahn, die uns auf halbem Wege sitzen läßt! beginnt der Eine wieder.
    – Verwünschte Kutsche, die mit uns mitten in der Wildniß umwirft! setzt der Zweite hinzu.
    – Und gerade zur Zeit, wo es anfängt dunkel zu werden! jammert der Dritte.
    – Zum Glück ist unser Concert erst für übermorgen angezeigt!« bemerkt der Vierte.
    Dann folgen einige drollige Wechselreden zwischen den Künstlern, die ihr Mißgeschick von der lustigen Seite aufgenommen haben. Der eine entlehnt seine Kalauer nach eingewurzelter Gewohnheit der musiktechnischen Sprache und sagt:
    »Na, da wäre ja unsre Coach glücklich »auf den Rücken gelegt!« 1
    – Au, Pinchinat! ruft einer seiner Gefährten.
    – Und ich meine, fährt Pinchinat fort, wir haben umgeworfen , weil wir die Vorzeichnung (Schlüssel) der Straße unbeachtet ließen.
    – Wirst Du schweigen lernen?
    – Und wir werden gut thun, unsre Stücke in eine andre Coach zu transponieren! « wagt Pinchinat noch hinzuzusetzen.
    Ja, es handelte sich um einen tüchtigen Unfall und Umfall, wie der Leser sofort erkennen wird.
    Die angeführten Worte wurden französisch gesprochen; es hätte dies aber auch englisch erfolgen können, denn das Quartett beherrschte die Sprache Walter Scott’s und Cooper’s – Dank vielfachen Kunstreisen in Ländern angelsächsischen Ursprungs – ebenso wie die eigne Muttersprache. So verhandeln sie denn auch nur auf englisch mit dem Führer der Coach.
    Dieser brave Mann hat am schlimmsten zu leiden, da er, als die Vorderachse des Wagens brach, von seinem erhöhten Sitz heruntergeschleudert wurde. Zum Glück beschränkte sich das auf verschiedne mehr schmerzhafte als ernste Contusionen. Immerhin kann er in Folge einer Verstauchung nicht auftreten und also nicht gehen, und daraus ergibt sich die Nothwendigkeit, ein Hilfsmittel zu finden, um den Mann wenigstens bis ins nächste Dorf zu schaffen.
    Es ist wirklich ein Wunder zu nennen, daß bei dem Unfall niemand das Leben eingebüßt hat. Der Weg schlängelt sich nämlich durch eine sehr bergige Gegend, streift da und dort an schroffe Abgründe oder wird von rauschenden Bergströmen begleitet und häufig durch kaum zu passirende Furthen unterbrochen. Wäre der Bruch am Vordertheil des Wagens nur eine kurze Strecke weiter oben erfolgt, so wäre das Gefährt ohne Zweifel über das Felsengeröll des Abhangs hinuntergestürzt und vielleicht wäre bei dieser Katastrophe keiner mit dem Leben davongekommen.
    Jedenfalls war die Coach jetzt aber nicht weiter zu benutzen. Dazu liegt eines der beiden Pferde, das sich mit dem Kopfe an einen spitzen Stein gestoßen hat, röchelnd am Boden. Das andre ist an der Hanke ziemlich schwer verletzt. Da fehlte es nun an einem Wagen ebenso wie an einem Gespann dafür.
    Die vier Künstler waren auf dem Boden Nieder-Californiens überhaupt von einem seltenen Pech verfolgt worden und hatten binnen vierundzwanzig Stunden nun zwei Unfälle erlitten. Wenn man da aber nicht gerade Philosoph ist…
    Zu jener Zeit stand San Francisco, die Hauptstadt des Staates, schon durch einen Schienenstrang in unmittelbarer Verbindung mit San Diego, das fast an der Grenze der alten Provinz Californien liegt. Nach dieser bedeutenden Stadt begaben sich die vier Künstler, die dort am
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