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Der geheimnisvolle Gentleman

Der geheimnisvolle Gentleman

Titel: Der geheimnisvolle Gentleman
Autoren: Celeste Bradley
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Prolog
    England, 1813
     
     
    L ady Olivia Cheltenham stürzte in die Themse und wurde von einem nordischen Gott gerettet. Oder vielmehr: Sie wurde von keiner Geringeren als ihrer Mutter in die Themse gestoßen, und der nordische Gott rettete sie. Jedenfalls versuchte er es. Bedauerlicherweise war es am Ende eher umgekehrt, denn sie rettete ihn.
    Olivia fühlte, wie ihre Mutter sie über das Geländer der Westminster Bridge schob, und bis sie unten ankam, hatte sie, wie ihr schien, sehr viel Zeit, über deren Beweggründe nachzudenken. Obgleich Olivia ihr Tagebuch nicht zur Hand hatte, schließlich befand sie sich mitten in der Luft, war sie sich sicher, dass ihre Mutter bisher keinerlei mörderische Absichten ihr gegenüber gehegt hatte. Auch war es zweifelhaft, dass es sich bei ihrer Tat um ein Zeichen plötzlichen Wahnsinns handelte.
    Olivia hatte nichts weiter getan, als immer wieder zu fragen, warum sie an einem kalten, windigen Tag stundenlang auf einer Brücke stehen und in die Themse schauen sollte. Deshalb gab es nur eine einzige mögliche Erklärung: Das unmittelbare Auftauchen eines potenziellen Ehemanns.
    Als das eisige Wasser über ihrem Kopf zusammenschlug, ihr das Häubchen vom Kopf riss und den Atem nahm, musste Olivia zugeben, dass sie vielleicht etwas dankbarer sein sollte. Mutter hatte in letzter Zeit unter großer Anspannung gestanden.
    Aber sie war sicherlich nicht verrückt genug, Olivia bei der Jagd nach einem Ehemann umzubringen?
    Der Fluss war an dieser Stelle nicht sehr tief. Olivia fühlte,
wie ihre Zehen kurz den weichen, schlammigen Grund berührten, bevor sie wieder nach oben getragen wurde. Ihr Kopf durchbrach die Wasseroberfläche, und sie nahm einen dringend benötigten Atemzug. Es war nicht das erste Mal in ihrem Leben, dass sie ins Wasser fiel. Deshalb hatte Olivia sofort begonnen, sich aus ihrem Spenzer zu winden. Als sie ihre Arme befreit hatte, stieß sie die kurze Jacke von sich, die sogleich davontrieb.
    Zum Glück behinderte ihr Kleid sie nicht besonders, denn sie trug nur ein sehr leichtes Musselinkleid ohne nennenswerte Unterröcke. Mutter hatte am Morgen darauf bestanden, dass sie es trotz der kühlen Witterung anzog. In Anbetracht der Ereignisse gewann dies eine unmissverständliche Bedeutung. Olivia verbannte die Ränke ihrer Mutter aus ihren Gedanken und widmete sich einer wichtigeren Aufgabe – ihrem Überleben. Sie war eine ausgezeichnete Schwimmerin, doch der Fluss war vom Herbstregen eiskalt. Sie musste sofort aus dem Wasser. Sie streifte die Slipper von ihren Füßen und schaute sich um.
    Von oben hörte sie das entsetzte Kreischen ihrer Mutter und die Schreie einer offenbar rasch anwachsenden Menschenmenge, Olivia verlor keine Zeit damit, zu ihnen hinaufzublicken. Das Wasser war so kalt, dass es ihr bereits schmerzhafte Stiche in Händen und Füßen verursachte. Sie musste hier raus, bevor sie nichts mehr fühlte. Mit einer schwungvollen Bewegung ihrer Arme drehte sie sich mit Leichtigkeit im Wasser und erblickte eine jener schmierigen Steintreppen, die an vielen Stellen entlang des Flusses von der Uferböschung zum Wasser führten.
    Sie wollte gerade dorthin schwimmen, als irgendetwas Großes neben ihr in den Fluss stürzte und ihr erstickendes, braunes Schmutzwasser in die Nase und den offenen Mund spülte. Sie prustete voller Ekel und rieb sich das Gesicht, sodass sie gerade noch rechtzeitig sah, wie zwei unglaublich starke Arme sich nach ihr ausstreckten.

    Fast mühelos schwamm sie mit einem Fußschlag außer Reichweite. Die Arme gehörten zu einem hünenhaften, dreckigen Fremden.
    Natürlich musste man zu seiner Verteidigung annehmen, dass er, bevor er ins Wasser gesprungen war, aller Voraussicht nach noch nicht so aussah.
    Wahrscheinlich hatte er sich sogar bis vor kurzem eines blendenden Aussehens erfreut. Olivia schwamm auf der Stelle, während sie ihn betrachtete. Wenn die scharf geschnittenen Wangenknochen und das kantige Kinn, die unter seinen herabhängenden, verschmutzten goldblonden Haaren gerade noch zu erkennen waren, irgendeine Vermutung zuließen, dann, dass er unter normalen Umständen in der Tat sehr gut aussehend war. Er hielt den Kopf fast unbeweglich über Wasser. Offensichtlich war er so groß, dass er fest auf dem Grund stehen konnte. Er sah aus wie ein sehr nasser, sehr schmutziger Wikinger. Nein, das traf es nicht wirklich. Er sah aus wie ein hoch gewachsener wassertriefender, vor Schmutz starrender nordischer Gott.
    Es gab nur einen
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