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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey
Autoren: Heartland
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[9] Solange er zurückdenken konnte, hatte sich Blue Gene Mapother nicht wohl gefühlt. Auf seinem schier endlosen Leidensweg musste er immer wieder an den Rat denken, den ihm das Familienoberhaupt erteilt hatte: »Warum tust du nicht einfach so, als wärst du glücklich?« Doch Blue Gene konnte weder heucheln noch lügen … ihm fehlten diese lebenswichtigen Fähigkeiten, die ein Mensch – anscheinend – haben musste, um nicht als Abfall der Gesellschaft zu enden. Falls ihn jemand gefragt hätte, was denn mit ihm los sei, hätte er darauf keine Antwort gewusst, weil er sich selbst nicht kannte. Er wusste nur, dass er sich ständig außerordentlich müde fühlte und dass noch so viel Schlaf das Loch nicht stopfen konnte, das diese Müdigkeit in sein Hirn gegraben hatte.
    Tagaus, tagein umgab ihn eine Wolke der Unzufriedenheit, ähnlich dem Gefühl, das man verspürt, wenn man aus dem Dunkel eines Kinos in das ernüchternde Tageslicht tritt, wo alles noch genauso ist wie vor dem Kinobesuch. Nur dass Blue Gene Mapother dieses Gefühl nie abschütteln konnte. Und obwohl er seinen schlechten Gesundheitszustand schon längst akzeptiert hatte, überkam ihn immer noch eine leichte Verdrossenheit, wenn er merkte, dass sich alle Menschen um ihn herum offenbar recht wohl fühlten. Alle [10] wollten immer irgendwas unternehmen oder irgendwohin fahren. Blue Gene wollte einfach nur dasitzen.
    Irgendwann waren seine Freunde es leid, dass er ihre Einladungen, sie zu Wrestling-Veranstaltungen oder zum Bowlen zu begleiten, ausschlug, obwohl er, wie sie wussten, beides sehr gern mochte. Im Laufe der Jahre klingelte das Telefon in Blue Genes Wohnwagen immer seltener, bis es schließlich völlig verstummte. Das gefiel ihm, weil er nie gern telefoniert hatte – ein unmännlicher Zeitvertreib, wie er fand. Doch gelegentlich, an jenen Samstagabenden, wenn nichts Gutes im Fernsehen lief, fühlte er sich vergessen. Er tröstete sich mit dem Gedanken, er und seine Freunde kämen allmählich in das Alter, wo alle zu beschäftigt seien, um sich noch über Post zu freuen, und sie nur noch als Belastung empfanden.
    Doch obwohl sich seine alten Freunde tatsächlich mit schlechtbezahlten Jobs und kostspieligen Kleinkindern herumplagten, hatte keiner von ihnen Blue Gene vergessen. Ob auf den Wrestling-Veranstaltungen im alten Zeughaus der Nationalgarde, in den Kassenschlangen bei Wal-Mart oder auf der gelegentlichen Grillparty mit Fassbier auf dem Lande – es gab kaum ein Treffen junger, Jeans tragender Lohnempfänger, bei dem nicht sein Name fiel.
    »In letzter Zeit mal mit Blue Gene gesprochen?«
    »Nee. Hat nie zurückgerufen. Kannste vergessen.«
    »Wo hat er sich denn verkrochen?«
    »Immer noch in Bashford, soweit ich weiß. Zuletzt hab ich gehört, dass er Zeugs auf dem Flohmarkt verkauft, aber das ist schon ’ne ganze Weile her.«
    »Wir sollten ihn mal anrufen.«
    [11] »Spar dir die Mühe. Der sagt eh nur, er hat gerade keine Lust.«
    Für die Leute, die sich nach Blue Genes Verbleib erkundigten, gab es zwei mögliche Antworten: Entweder hatte er sich in seinem Wohnwagen vergraben, wo er mit nacktem Oberkörper zwischen seinen Schusswaffen und Jogginghosen rumhing und verfolgte, wie eine TV -Staffel die nächste ablöste, während sich chinesisches Take-away-Essen und Mountain-Dew-Limonade in seinem Bauch mischten, oder er wartete das Ende des Arbeitstages ab, leckte sich Kaffeetropfen vom Schnauzbart, gierte nach einer Zigarette und suchte die geeignete Mischung von Gedanken, die kurzzeitig für ein wenig Glück sorgen mochten. Eins von beidem musste es sein.
    Bis zu einem ganz bestimmten Tag, dem ersten Freitag im Juni von Blue Genes 27. Lebensjahr, einem Wahljahr…

[13] Erster Teil

[15] 1
    Auf dem Parkplatz des Flohmarkts stand zwischen all den Pick-ups, Thunderbirds, Camaros und El Caminos ein nagelneuer Lexus LS . Eine elegante Dame, die wie Danielle Steele, die Autorin von Liebesromanen, aussah, entstieg dem grauen Geländewagen, schloss die Tür und drückte auf eine Taste, worauf das Auto brav piepste. Sie sah sich um und vergewisserte sich, dass niemand sie überfallen wollte, schließlich war der Story Boulevard, wo zahlreiche Drogendealer und Prostituierte ihren Geschäften nachgingen, nur einen Steinwurf entfernt.
    Ihre hohen Absätze klapperten zielstrebig auf das Gebäude zu. Als sie näher kam, roch sie in der schwülen Juniluft den Duft von Gegrilltem, den sie köstlich fand, bis sie sah, wer sich über den Grill
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