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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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ein ernst zu nehmender molekularbiologischer Kongreß über die Mechanismen der Zucker-Protein-Verknüpfung in tierischen Zellen abgehalten wurde, tauchte mit Sicherheit Sam O'Briens Name unter den Vortragenden auf. Seine Beliebtheit als Partner in naturwissenschaftlichen Diskussionen verdankte er nicht zuletzt seinem phänomenalen Gedächtnis und dem daraus resultierenden enzyklopädischen Wissen über nahezu alle Bereiche der molekularbiologischen Forschung. Dieses Gedächtnis hoffte Green heute anzapfen zu können. »Wie geht die Arbeit denn voran, Sam?«
    O'Brien nahm die schmale Lesebrille von der Nase und lächelte. »Seit unserem letzten Treffen sind wir gut weiter gekommen; vor allen Dingen durch den Einsatz gentechnologischer Methoden. Wir kennen jetzt die Genstruktur und die Sequenz des Enzyms, das die Zuckerbausteine auf die von einer Zelle neu synthetisierten Proteine überträgt. Hochinteressant. Schafft Einblicke, die wir uns bis vor wenigen Jahren nicht haben träumen lassen.«
    Green sah ihn nachdenklich an. »Ich kenne eine Menge Leute, vor denen du die Gentechnik nicht mit der Erzielung interessanter Forschungsergebnisse rechtfertigen könntest, Sam.«
    O'Brien nickte betrübt. »Ich weiß, was du meinst. Vor der Gesellschaft stehe ich so da wie du damals vor mir, als du zum Secret Service gewechselt bist. Aber mal ehrlich, wie anders lassen sich Forschungsmethoden sonst rechtfertigen?«
    »Mit medizinischer Relevanz vielleicht?«
    O'Briens Gesichtsausdruck zeigte, daß die Frage ins Schwarze getroffen hatte. »Medizinische Relevanz!« fauchte O'Brien. »Das ist ja wohl das Letzte! Wenn ich damit argumentiere, dränge ich die Gentechnik erst in die gefährliche Ecke. Denn in dem Bereich ist das Objekt der Mensch. Und da hört auch bei mir das Verständnis für das Ganze auf.«
    »Komm, Sam, tu nicht so unschuldig! Du weißt genau, daß du mit deinen Forschungen auch dazu beiträgst, daß solche Anwendungen in der Therapie in den Bereich des Machbaren rücken. Immerhin gibt es genetisch bedingte Krankheiten, die auf Proteinen mit fehlerhaft aufgebauten Zuckern beruhen.«
    O'Brien setzte die Brille wieder auf. »Natürlich bin ich mir dessen bewußt. Und deshalb warte ich händeringend auf Gesetze, die die Anwendung in der medizinischen Therapie regeln. Darunter fallen auch die Begleiterscheinungen bei In-vitro-Befruchtung und pränataler Diagnostik.«
    Green zog ein pessimistisches Gesicht. »Wieviel Hoffnung hast du denn da?«
    O'Brien seufzte. »Übermäßig viel ist es nicht, wenn ich ehrlich bin. Denn dazu müßten die Politiker entsprechende Berater haben. Bisher haben sie nur die Mediziner selbst. Und die Unfehlbarkeit des Arztes ist heutzutage fast so groß wie die des Papstes. Angeblich! Wenn du dich hier an der medizinischen Fakultät mit den Chefärzten über molekularbiologische Erkenntnisse unterhalten würdest, wärst du wahrscheinlich tief entsetzt über die Ahnungslosigkeit und das biologistische Weltbild mancher dieser Halbgötter.«
    Nach einer kurzen Gedankenpause blickte O'Brien Green forschend an.
    »Aber du bist doch nicht hierhergekommen, um mit mir über diese Dinge zu diskutieren. Gib's zu! Ich kenn dich zu lange.«
    Green nickte ertappt. »Ich geb's ja zu. Ich bin hier, weil ich gern dein außergewöhnliches Gedächtnis bemühen möchte.«
    »Dacht ich mir's.« O'Brien grinste. »Und du denkst, du könntest von mir Informationen für den Geheimdienst bekommen?«
    »Spinn nicht rum, Sam! Mich interessiert nur, ob du dich an einen gewissen Charles Kossoff erinnerst. Seine Schwester hat angedeutet, er hätte hier im Imperial College gearbeitet.«
    O'Brien nahm zum Nachdenken die Brille wieder ab. »Charles Kossoff? Sicher, den kenne ich. Hat im gegenüberliegenden Flur gearbeitet. Bis vor anderthalb Jahren, glaube ich. Was ist mit ihm?«
    Green versuchte möglichst unbefangen auszusehen. »Ach, nichts. Ich suche ihn nur. Er könnte über einige Informationen verfügen, die mir weiterhelfen würden. Weißt du, wo er jetzt arbeitet?«
    »Ich meine mich zu erinnern, daß ich eine Veröffentlichung von ihm gesehen habe, im Journal of Virology , glaube ich. Wenn ich mich nicht sehr täusche, forscht er in Yale.«
    Volltreffer, dachte Green. Angela MacRae hatte behauptet, Charles Kossoff sei erst seit zehn Monaten in Amerika. »Du hast gesagt, er sei vor etwa anderthalb Jahren hier weggegangen. Ist er da direkt nach Yale gewechselt?«
    O'Brien schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein,
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