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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen
Autoren: Niklaus Schmid
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gutem Gewissen. Aber jetzt, sollte ich mich etwa gegen die Ordnungshüter auflehnen?
    Mein Kopf raste. Handschellen. Beugehaft. Wenn ich danach frei war, konnte ich mich tatsächlich zum Sozialhelfer umschulen lassen. Chance vertan. Kurz vor dem Ziel gestolpert. Also Flucht. Über den Balkon. Elmar Mogge als bewegliches Ziel für junge Beamte, die kugelsichere Westen trugen und darauf brannten, theoretische Anweisungen in die Praxis umzusetzen, zum Beispiel die: flüchtenden Personen nur in die Beine schießen. Nur! Meine Kniescheibe signalisierte schon jetzt den Schmerz.
    »Aufmachen! Polizei!« Der zweite Aufruf hatte schon den Beiklang von zersplitternden Türfüllungen. Ich überlegte, wieviel Zeit mir blieb. Schnell die Kinoansage wählen, damit bei der Wahlwiederholung nicht Judiths Telefonnummer ins Spiel kam. Dann huschte ich ins Badezimmer, zerriß das Foto und Salms Abschiedsbrief und betätigte die Klospülung, bis der letzte Schnipsel verschwunden war.
    Nachdem ich die Sicherheitskette vorgelegt hatte, öffnete ich die Tür einen Spalt. »Würden Sie sich bitte ausweisen!«
    Sie taten es.
    Es waren, wie ich vermutet hatte, zwei Beamte vom Landeskriminalamt Düsseldorf, und zwar die beiden, die mir gefolgt waren. Meine Idee mit der Schweinezunge war keine gute Idee gewesen.
    »Man kann nicht vorsichtig genug sein«, grinste ich sie an. »In den Verbrauchermagazinen wird häufig vor falschen Polizisten gewarnt. Kaum hat man die reingelassen, wollen sie einem ‘ne Rheumadecke verkaufen.«
    Ich hakte die Kette aus.
    Sie schoben mich nicht direkt zur Seite, zeigten mir aber, daß sie mich für ziemlich unwichtig hielten. Daß sie so sorglos mit mir umgingen, zeichnete sie als Profis aus, die sich auf ihre Reflexe verlassen konnten, beschämte mich jedoch ein wenig. Keine auffällig geballte Faust in der Jackentasche, kein Zeichen, daß sie mich erkannt hatten. Sie waren darin geschult, nichts persönlich zu nehmen. Das war eine Abgrenzungstaktik, weil die Gegenseite, bei sonst oft verwirrend ähnlichen Methoden, vieles persönlich nahm. Wie ich erfahren hatte, galt die Frage ›Willst du ein persönliches Verhältnis?‹ schon als Vorstufe zu einem Schußwechsel.
    Meine Besucher gaben sich kühl. Beide trugen Durchschnittskleidung, hatten durchschnittliche Gesichter, mit etwas überdurchschnittlich intelligenten Augen; beide waren mittelgroß, müde, gelangweilt und humorlos. Bei dem älteren Beamten kam noch ein guter Schuß Ekel hinzu.
    »Also, los, Ausweis!« sagte er barsch.
    Ich zeigte ihm meine Papiere.
    Er ging sie ohne sonderliches Interesse durch. »Sind Sie als privater Ermittler hier?«
    »Nö, nur privat.«
    »Wo ist der Besitzer der Wohnung?«
    Ich zuckte die Achseln. Den Scherz, die Teppichkante zu heben, verkniff ich mir, weil der nun wirklich alt war und ich mich nicht wiederholen wollte.
    »Wie sind Sie hereingekommen?« fragte der jüngere Beamte und warnte mich, als er den Ansatz zu einem Grinsen in meinen Gesicht ausmachte: »Sagen Sie jetzt nicht, durch die Tür!«
    Ich zeigte ihm den Schlüssel. »Den habe ich vom Besitzer. Liegt gegen ihn eigentlich was vor?«
    Als der ältere Beamte die Stirn runzelte, sagte ich: »Ach ja, die Fragen stellen Sie.«
    »So ist es«, entgegnete er trocken. »Was machen Sie hier?«
    »Ich war gerade dabei, ein Schachproblem zu lösen.«
    Ich bewegte mich zum Schachtisch. Eine Viertelstunde war vergangen, aber auf keinen Fall durfte ich zeigen, daß ich in Zeitdruck war. Sie würden irgendeinen Vorwand finden, mich mitzunehmen. »Schauen Sie! Wenn es so etwas wie ein schönes Opfer gibt, dann haben wir es hier.« Ich stellte die weiße Dame auf die Grundlinie. »Schwarz schlägt mit dem Turm die Dame, er muß sie schlagen, kann gleichwohl nicht vermeiden, daß er in zwei Zügen matt ist. Damenopfer!«
    Der jüngere Beamte, der von seinem Rundgang durch die Räume zurückkam, sah mich abschätzend an. »Schlaumeier, was!« Ein Anflug von Spaß kräuselte seine Lippen, Spaß an Gewalttätigkeiten. In seinen Augen war ich ein Kakerlak. Was fing man mit Kakerlaken an?
    Er hob den Telefonhörer, drückte die Wiederholungstaste und hörte das Kinoprogramm: »Europapalast drei: Stirb langsam, Teil fünf, um zwanzig Uhr…«
    Ich machte zwei Schritte zur Tür. »Ich möchte jetzt gehen und würde ganz gern hinter mir abschließen. Oder haben Sie einen Grund, mich festzunehmen?«
    Der jüngere Beamte trat mir in den Weg. Sein Gesicht war nur eine Handbreit von
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