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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen
Autoren: Niklaus Schmid
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worden, ein klassischer Arbeitsunfall!
    Er stieg wieder in die Krangondel und entschwebte dem Tatort wie ein böser Engel. Und genau in diesem Moment, passend zu dem Bild, rissen die Wolken auf, und Sonnenschein ergoß sich über die von alten Narben und neuen Wunden gezeichnete Industrielandschaft.
    Der Mann in der Krangondel hob die Hand vor die Augen. Die Sonne mußte sich an einem blanken Metallteil oder in einem Stück Glas gespiegelt haben. Beim zweiten Hinschauen erkannte er, daß jemand unter ihm mit einem Fotoapparat hantierte.
    Instinktiv tastete der Mann nach der Waffe in seiner Tasche und drehte den Kopf zur Seite. Eine Weile fühlte er sich unsicher und überlegte, wie er auf diese Situation reagieren sollte. Doch dann beruhigte er sich wieder. Sollte es ein Problem geben, würde er eine Lösung finden – er war ja ein Fachmann.
     
     
    Als die Sirene das Ende der Mittagspause anzeigte, befand sich der Schnauzbart schon wieder in seinem Wagen. Auf dem Weg zur Autobahnauffahrt gab er dem Beifahrer das Foto zurück und griff nach dem Telefon.
    »Auftrag erledigt«, sagte er, während der Beifahrer das in winzige Schnipsel zerrissene Foto aus dem Fenster rieseln ließ.

2.
     
     
     
    Diesmal war es genau anders.
    Diesmal wurde ich beobachtet. Der Mann an dem Ecktisch fixierte mich, nippte an seinem Bierglas, starrte mich wieder an. So ging das schon eine ganze Weile, und es gefiel mir gar nicht.
    Für jemanden, der sein Geld damit verdient, anderen Menschen nachzuschnüffeln, ist es höchst unangenehm, selbst beobachtet zu werden. Im Moment zweifelte ich wieder einmal, ob ich mich überhaupt für die richtige Tätigkeit entschieden hatte. Aber dieses Gefühl hatte ich schon häufig gehabt, als ich noch Polizist war, und ich hatte es besonders immer dann gehabt, wenn ich sonntags bei Demos aufmarschieren mußte. Es war nicht nur die Routine und der Mangel an Freiheit gewesen, was mich gestört hatte. Ein bißchen hatte ich auch immer geglaubt, auf der falschen Seite zu stehen.
    Jetzt hieße die Routine, wenn sie denn käme, hinter einem Ehemann herzufahren, dessen Frau glaubt, daß er sie betrügt – auch nicht so angenehm. Angeblich gab es in meinem Beruf Leute, bei denen sich dauernd verführerische weibliche Stimmen am Telefon meldeten und um persönlichen Schutz baten, angeblich. Na ja, vielleicht würde das ja bald kommen; ich war noch nicht allzu lange im Geschäft. Genauer gesagt: zwei, drei kleine Aufträge; um ehrlich zu sein, hatten sich meine Visitenkarten Elmar Mogge – Personenschutz & private Ermittlungen bisher noch nicht bezahlt gemacht.
    Und damit ich es nicht vergaß, stand auf meinem Schreibtisch ein Schild: Jagen, jagen und dann die fette Beute machen!
    Der Mann starrte mich weiter an. Er war etwa in meinem Alter, mittelblond, teuer gekleidet; er sah gut aus und trug eine modische Goldrandbrille mit getönten Gläsern. Bis vor einigen Jahren mußte er ein richtig sonniger Bursche gewesen sein. Dazwischen lag eine Menge Ärger, der Spuren hinterlassen hatte. Irgendwie konnte er sein Gesicht nicht still halten, dauernd zuckte es um seine Mundwinkel. Ich nahm das nur beiläufig wahr und beschäftigte mich dann wieder mit den Etiketten auf den Schnapsflaschen in dem Wandregal.
    Ich bin Ex-Alkoholiker, geschieden, und versuche mit mir selbst auszukommen.
    Doch der Typ, der mir aus dem Wandspiegel entgegenschaute, gefiel mir heute noch weniger als sonst. Er sah mürrisch aus, schmal, knochig, mit langer Nase und viel Mund. Frauen, die Pferde lieben, können sich vielleicht in solch ein Gesicht vergucken, jedenfalls redete ich mir das ein.
    Im Hintergrund sah ich, leicht verzerrt durch den Spiegel, die Gestalt des Mannes am Ecktisch. Er starrte mir genau in den Nacken. Ich faßte in meine Hosentasche, ohne etwas Bestimmtes zu suchen, fand einen Zahnstocher und fing an, darauf herumzukauen.
    Was ist los mit dir? Nervös? Ich erinnerte mich an all die auffälligen Gesten, die Leute machen, wenn sie sich beobachtet fühlen. Eine Stinkwut kochte in mir hoch. Schon seit Tagen ging mir alles gegen den Strich; nicht nur, weil mir ein Auftrag fehlte, nicht nur, weil ich eine halbe Ewigkeit mit keiner Frau geschlafen hatte, nicht nur, aber deswegen auch.
    Ich glitt vom Barhocker, knickte den Zahnstocher, legte ihn in den Aschenbecher und machte die zehn Schritte zu dem Ecktisch. Ich sagte: »Na, los, was gibt’s?«
    Der Mann verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln, das vertraulich sein sollte,
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