Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
kurz bevor wie sie erreicht hatten. Ein Streifen gelber, flackernder Helligkeit fiel auf die Treppe hinaus, dann erschien eine geduckte Gestalt unter der Öffnung und sah Boldwinn und uns entgegen. Boldwinn winkte ungeduldig mit der Hand; der Mann trat hastig zurück und öffnete die Tür gleichzeitig weiter, so daß wir eintreten konnten.
    Der Anblick überraschte uns alle drei. Nach dem verwahrlosten Zustand des Parks und des Hauses hatte wohl nicht nur ich hier drinnen etwas Ähnliches erwartet, aber das Gegenteil war der Fall: hinter dem Eingang erstreckte sich eine gewaltige, fast zur Gänze in schneeweißem Marmor gehaltene Halle. Ein mindestens fünf Yard messender Kronleuchter hing an einer armdicken Kette von der Decke und tauchte den Raum in mildes, gelbes Licht, und der Boden war so sauber, daß sich unsere Gestalten als verzerrte Schatten darauf spiegelten. Die Halle war fast leer; das einzige Möbelstück war ein gewaltiger, kostbarer Sekretär, über dem ein riesiger Kristallspiegel in einem goldenen Rahmen hing. Auf der gegenüberliegenden Seite der Halle führte eine geschwungene, mit kostbaren Teppichen belegte Treppe zu einer Galerie hinauf, von der zahlreiche Türen abzweigten. Es war angenehm warm, obwohl nirgends ein Feuer brannte.
    »Nun, Mister Phillips?« fragte Boldwinn. »Zufrieden?«
    Es dauerte eine Sekunde, ehe ich begriff, daß seine Worte mir galten. Ich fuhr zusammen, drehte mich halb um und sah ihn verlegen an. Ein dünnes, spöttisches Lächeln spielte um seine Lippen. Er mußte den Blick, mit dem ich mich umgesehen hatte, richtig gedeutet haben.
    »Ich ... verzeihen Sie«, stotterte ich. »Ich ...«
    Boldwinn winkte ab und schloß die Tür hinter sich. »Es muß Ihnen nicht unangenehm sein, Mister Phillips«, sagte er gleichmütig. »Ich bin das gewohnt, wissen Sie? Jeder, der mein Haus nur von außen kennt, ist überrascht, wenn er es betritt.« Sein Lächeln wurde ein wenig breiter, aber nicht sympathischer. »Ich habe weder die Mittel noch das Personal, den Park in Ordnung zu halten«, sagte er, »aber es verschafft mir immer wieder Genugtuung, die Gesichter meiner Besucher zu sehen, wenn sie hereinkommen.«
    Ich fühlte mich mit jeder Sekunde unbehaglicher. Boldwinn war im Grunde nichts als ehrlich, aber es gibt eine Art der Ehrlichkeit, die schon wieder unhöflich ist.
    »Ich sehe«, fuhr er fort, »ich bringe Sie in Verlegenheit, also wechseln wir das Thema. Carradine – bereiten Sie einen Imbiß für vier Personen vor. Und schnell, bitte.«
    Die Worte galten dem Mann, der uns geöffnet hatte, einem verhutzelten kleinen Männchen, das die ganze Zeit schweigend und mit gesenktem Kopf dagestanden und Howard und mich verstohlen aus den Augenwinkeln gemustert hatte. Schon vorhin, als ich nur seinen Schatten gesehen hatte, war er mir sonderbar vorgekommen; jetzt, als ich ihn im hellen Licht sah, erschreckte mich seine Erscheinung fast.
    Im ersten Moment hielt ich ihn für einen Buckeligen, aber das stimmte nicht. Seine linke Schulter hing tiefer und in anderem Winkel herab als die rechte, und sein Hals war auf sonderbare Weise auf die Seite geneigt, als könne er den Kopf nicht gerade halten. Seine linke Hand war einwärts geknickt, die Finger zu einer nutzlosen steifen Kralle verkrümmt, und sein rechtes Bein und der Fuß sahen aus, als wären die Knochen irgendwann einmal gebrochen und in falschem Winkel wieder zusammengeheilt. Sein Gesicht war ein Alptraum: eingedrückt und schief wie eine Maske aus Wachs, die jemand zusammengedrückt hatte; der Mund verzogen, so daß er ständig sabberte – ohne etwas dafür zu können –, das linke Auge blind und geschlossen. Ein Krüppel.
    »Gefällt Ihnen Carradine?« fragte Boldwinn leise. »Er ist mein Hausdiener, wissen Sie? Ein bedauernswertes Geschöpf. Eigentlich ist er nutzlos und richtet mehr Schaden als Nutzen an, aber irgend jemand mußte sich seiner annehmen, nicht wahr?« Er lachte. »Eigentlich wollte ich ihn Quasimodo nennen, aber das wäre geschmacklos gewesen.«
    Howard sog scharf die Luft ein, aber diesmal war ich es, der ihn mit einem warnenden Blick zurückhielt. Boldwinns Sinn für Humor schien eine sonderbare Entwicklung mitgemacht zu haben, aber das ging uns nichts an. »Sie ... leben allein hier?« fragte ich, um auf ein anderes Thema zu kommen.
    Boldwinn starrte mich an, als hätte ich ihn gefragt, ob er Syphilis habe. »Nein«, sagte er. »Außer Carradine wohnen noch meine Tochter und mein Neffe Charles hier.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher