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Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit
Autoren: Verschiedene
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Aber die schlafen beide schon. Sie werden sie morgen beim Frühstück kennenlernen – wenn Sie Wert darauf legen.« Er wandte sich abrupt um und klatschte in die Hände. »Carradine!« sagte er. »Hast du nicht gehört? Einen Imbiß für vier – husch, husch!«
    Carradine grunzte, blickte uns der Reihe nach aus seinem einzigen verquollenen Auge an und humpelte dann davon. Er erinnerte mich tatsächlich ein bißchen an Quasimodo ...
    »Aber was stehen wir hier noch herum?« fuhr Boldwinn fort, als der Krüppel gegangen war. »Es wird eine Weile dauern, ehe das Essen fertig ist. Gehen wir in die Bibliothek. Dort redet es sich besser.«
    Er wartete unsere Antwort nicht ab, sondern drehte sich um und ging mit raschen Schritten auf eine Tür in der Seitenwand zu. Ich tauschte einen langen, fragenden Blick mit Howard.
    Er schwieg, aber das Gefühl in seinen Augen entsprach dem in meinem Inneren. Man mußte kein Hellseher sein, um zu spüren, daß mit diesem Haus und seinen Bewohnern etwas nicht stimmte.
    Aber ich war plötzlich gar nicht mehr begierig darauf, herauszubekommen, was es war.
    ** *
    Die Bibliothek war ein gewaltiger, bis unter die Decke mit Regalen vollgestopfter Raum, dessen gesamte Einrichtung aus einem rechteckigen, polierten Tisch und vier Stühlen bestand. Dicke, sicherlich kostbare Teppiche bedeckten den Boden, und im Kamin – mit Ausnahme der Fenster und der Tür der einzige Fleck, der nicht mit Büchern vollgestopft war – brannte ein gewaltiges Feuer. Boldwinn deutete mit einer einladenden Geste auf den Tisch, wartete, bis wir an ihm vorübergegangen waren und schloß die Tür.
    Erstaunt blieb ich stehen.
    Der Tisch war nicht leer. Auf dem polierten Holz stand ein verzierter silberner Leuchter mit nahezu einem Dutzend brennender Kerzen, und an seinen vier Kopfenden standen vier Teller, komplett mit Besteck, Gläsern und säuberlich gefalteten Servietten. Vier Teller ... dachte ich verwirrt. Fast, als hätte er uns erwartet.
    »Erwarten Sie Gäste?« fragte Howard.
    »Gäste?« Boldwinn blickte einen Moment lang irritiert von ihm zu mir und zurück, dann hellte sich sein Gesicht auf. »Ach, das Geschirr, meinen Sie?« Er lächelte. »Nein. Aber Carradine bereitet immer schon alles für das Frühstück vor, bevor er zu Bett geht. Ich habe ihm tausend Mal gesagt, daß ich das nicht will. Die Teller und Gläser stauben ein, wissen Sie? Aber es ist sinnlos. Er ist nun mal ein Krüppel, und leider nicht nur körperlich.« Er seufzte. »Aber setzen Sie sich doch, meine Herren.«
    Howard starrte ihn eine endlose Sekunde lang durchdringend an, dann zuckte er mit den Achseln und gehorchte. Auch ich zog mir einen der Stühle heran und ließ mich darauf nieder, während Rowlf neben dem Kamin stehenblieb, sich unglücklich umsah und ganz offensichtlich nicht wußte, was er mit seinen Händen tun sollte. Boldwinn runzelte die Stirn und schenkte ihm einen langen, strafenden Blick, wandte sich dann aber wieder an Howard.
    »Sie entschuldigen mich einen Moment«, sagte er. »Ich will sehen, wie weit Carradine ist. Ihre Zimmer müssen noch vorbereitet werden.«
    »Machen Sie sich nur keine Umstände unseretwegen«, sagte Howard hastig. »Wir ...«
    »Aber ich bitte Sie«, unterbrach ihn Boldwinn, und er tat es in einem Ton, der keinen weiteren Widerspruch duldete. »Es sind keine Umstände. Das Haus steht praktisch leer, und ich habe genug Zimmer, mit denen ich sowieso nichts anfangen kann. Ich bin gleich zurück.« Damit wandte er sich um und verließ den Raum.
    Howard starrte ihm stirnrunzelnd nach, auch, als die Tür schon lange ins Schloß gefallen war. Es war nicht schwer, seine Gedanken zu erraten. Seine Finger spielten nervös mit dem kleinen Stöckchen, das er ständig mit sich herumschleppte. Aber er schwieg verbissen.
    Schließlich hielt ich das Schweigen nicht mehr aus. »Also?« sagte ich.
    Howard sah auf. »Was – also?«
    »Du weißt, was ich meine«, sagte ich verärgert. »Was hältst du von ihm? Und von diesem Haus?«
    »Was ich von ihm halte?« Howard wandte den Blick und starrte in die prasselnden Flammen im Kamin, als könne er die Antwort auf meine Frage dort lesen. »Das ist nicht so leicht zu sagen, Robert. Boldwinn ist ein seltsamer Mann, aber es ist noch kein Verbrechen, ein Exzentriker zu sein.«
    Ich spürte deutlich, daß er nicht aussprach, was er dachte. Er fühlte wie ich, daß mit Boldwinn, seinem sonderbaren Diener und diesem ganzen Haus etwas nicht stimmte; ganz und gar nicht
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