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Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit
Autoren: Verschiedene
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Nicht, daß es hier spukt oder sowas«, fügte er hastig hinzu, als er das Erschrecken auf Rowlfs und meinem Gesicht sah. »Aber einer meiner Vorväter stand in dem zweifelhaften Ruf, ein Hexer zu sein. Sie haben ihn bei lebendigem Leibe verbrannt, den armen Kerl.« Er lächelte kalt. »Der gleiche übrigens, der diese Bibliothek angeschafft hat. Mir selbst sind die Schwarten höchstens lästig. Ich habe schon ernsthaft erwogen, sie wegzuwerfen, um dieses Zimmer als Salon nutzen zu können.«
    »Wegwerfen?« keuchte Howard.
    Boldwinn nickte. »Warum nicht?«
    »Aber sie sind ... ein Vermögen wert. Mehr als das ganze Haus.«
    »Das bezweifle ich«, murmelte Boldwinn.
    Howard war plötzlich sehr aufgeregt. »Wenn Sie sie verkaufen wollen, Mister Boldwinn«, begann er, »dann ...«
    »Das will ich bestimmt nicht«, unterbrach ihn Boldwinn. »Aber es wäre mir lieb, wenn Sie einen Aschenbecher benutzen würden, statt des Teppichs.«
    Howard fuhr schuldbewußt zusammen, ging zum Kamin und warf seine Zigarre hinein. »Verzeihen Sie«, murmelte er.
    Boldwinn winkte ab. »Schon gut. Das Essen wird noch einige Augenblicke dauern, fürchte ich. Carradine ist nicht gerade der Schnellste. Wenn Sie nichts dagegen haben, zeige ich Ihnen Ihre Zimmer, bis es soweit ist.«
    Howard nickte, aber sein Blick sagte das Gegenteil. In seinen Augen stand ein unbeschreiblicher Ausdruck, während er die Bücher in den Regalen musterte. So ähnlich wie er jetzt mußte sich ein Verdurstender fühlen, der eine Woche durch die Wüste gekrochen war und mit ansehen mußte, wie die einzige Wasserstelle zugeschaufelt wird. Aber er schien zu spüren, daß Boldwinn nicht mehr über seine Bücher – und schon gar nicht über einen eventuellen Verkauf – reden wollte. Mit deutlichem Widerwillen setzte er sich in Bewegung und folgte Boldwinn, der die Tür wieder geöffnet hatte. Nach kurzem Zögern gingen auch Rowlf und ich ihnen nach.
    Wir durchquerten die Eingangshalle und gingen die Treppe zur Galerie empor. Die Stille fiel mir auf. Der dicke Teppich auf den Stufen verschluckte das Geräusch unserer Schritte vollkommen, aber es war auch sonst völlig still. Zu still. Es hätte nicht so ruhig sein dürfen. Kein Haus ist vollkommen still, nicht einmal, wenn es verlassen ist. Irgendwo gibt es immer Geräusche: Das Klappern eines Ladens, das Heulen des Windes, der sich an den Mauern brach, das Ächzen und Arbeiten der Balken, die unter dem Gewicht der Jahrzehnte stöhnten – ein Haus ist wie ein gewaltiges lebendes Wesen, das seinen eigenen Pulsschlag, seine eigenen Lebensgeräusche hat. Dieses nicht. Dieses Haus war still, absolut still. Es war tot.
    Ich schüttelte den Gedanken ab und beeilte mich, nicht den Anschluß zu verlieren und Howard und Boldwinn auf die Galerie zu folgen.
    Unser Gastgeber war auf der obersten Stufe stehengeblieben und wartete stirnrunzelnd und mit unverhohlener Ungeduld, daß ich endlich nachkam.
    »Ihre Zimmer liegen dort.« Boldwinn deutete mit einer knappen Handbewegung nach links, zum hinteren Ende der Galerie. »Die drei letzten Räume. Sie sind vielleicht nicht so komfortabel, wie Sie es gewohnt sind, aber für eine Nacht wird es gehen.«
    Howard murmelte eine Antwort und deutete ein Nicken an, während Rowlf und ich wortlos an ihm vorbeigingen und uns unseren Zimmern näherten.
    Die Tür quietschte in den Angeln, und ein Schwall abgestandener, muffig riechender Luft schlug mir entgegen. Ein Schatten huschte durch den Raum, und irgendwo fiel etwas um und wirbelte grauen Staub auf.
    Mitten im Schritt blieb ich stehen.
    Der Raum bot tatsächlich nicht den Komfort, den ich gewohnt war. Nicht einmal annähernd.
    Auf dem Boden lag eine fünf Zentimeter dicke Staubschicht, in der sich die Spuren von Ratten-und Insektenfüßen abzeichneten. Spinnweben hingen wie graue Vorhänge von der Decke, und das breite, sicherlich irgendwann einmal prachtvoll anzusehende Himmelbett unter dem vernagelten Fenster war zusammengebrochen und zu einem Trümmerhaufen geworden.
    Ein schwarzer Ball fiel von der Decke und begann auf acht zitternden haarigen Beinen auf mich zuzukriechen. Eine Spinne. Ihr Leib war so groß wie eine Kinderfaust, und die acht starren Facettenaugen funkelten wie winzige Diamantsplitter.
    Ich schrie auf, prallte – mehr erschrocken als aus Angst – zurück und schmetterte die Tür mit aller Kraft zu. Meine Hände zitterten, als ich mich umdrehte.
    Howard, der sich ebenfalls angeschickt hatte, sein Zimmer zu betreten,
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