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Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner

Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner

Titel: Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
Autoren: Christoph W Bauer
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    Blättert Wagner im Buch, das ihm die Erinnerung in die Hand drückt, fallen ihm Glück wie Unglück gleichermaßen zu. Zuweilen ist ihm, als wüchsen aus den Sätzen Landschaften und Orte, Straßen und Häuser, selbst Stimmen vermeint er zu hören. Freilich, ab und an spielt ihm das Gedächtnis einen Streich; doch vierhundert Jahre füllen viele Seiten, da darf man sich schon einmal vertun. Auch bringt ihn der Marsch durch die Jahrhunderte ins Schwitzen, Schweiß perlt ihm von der Stirn in die Augen und die Bilder verschwimmen.
    Deutlich sieht Wagner das vom Dullbach durchflossene Seitental der Schmutter. Dort verbringt er seine Kindheit, dort wird er geboren, in Deubach bei Augsburg im Jahr 1610.
    Lesend kehrt er zurück ins Dorf grüner Tage, das eine Schlossanlage überragt, nur noch eine kleine Kirche zeugt heute von ihr, die einstige Schlosskapelle. Im Schloss wohnt die Familie Zech, deren Oberhaupt sich Ratskonsulent von Augsburg nennen darf.
    Er hat es weit gebracht, der alte Zech, erzählt man sich im Dorf, er stamme aus Schwaz in Tirol, habe in Ingolstadt studiert, sei Stadtschreiber gewesen. Vor allem aber habe er vorzüglich geheiratet, seine Söhne und Enkel stünden ihm darin um nichts nach. Erst kürzlich sei Hans Wolf Zech mit Anna Corona Rehlinger vor den Traualtar getreten, einer Tochter aus bestem, ja führendem Augsburger Patrizierhaus.
    Solcherart Reden prägen Wagner und schon früh ahnt er, worauf es im Leben ankommt.
    Von Kindheit an begleitet Wagner seinen Vater nach Augsburg. Allein die Ausmaße der Stadt imponieren ihm, beinahe 50.000 Einwohner zählt sie. Schon von Weitem sind die Türme des Doms und der Basilika St. Ulrich und Afra zu erblicken. Gerade ist ein neuer Prachtbau im Entstehen, das Rathaus, seine Eleganz weist nach Florenz, mit dem sich die Reichsstadt gerne misst.
    Über den Weinmarkt, vorbei an den Fuggerhäusern. Ein Palast reiht sich an den nächsten. Selbst wohlhabende Kaufleute und reiche Handwerker residieren wie Bischöfe und Fürsten. Und in den Straßen und Gassen herrscht ein Trubel, dass kaum ein Durchkommen ist. Augsburg ist der bedeutendste Umschlagplatz für Handelsgüter aller Art im Süden des Reichs.
    In der Osterzeit und zu St. Michael im September finden die Dulten statt. Zur Zeit der Jahrmärkte platzt die Stadt aus allen Nähten. Von überallher kommen Händler und Kaufleute. Eine Branche hat es Wagner besonders angetan. Immer wieder drängt es ihn zu den Budeln jener Trödler, die mit Büchern und Drucken handeln. Er ist fasziniert von den mannshohen Stößen von Papier, den feilgebotenen Folianten, von Titelbordüren, Letternzügen und Schnörkeln. Und erst die Buchmalereien, sie lassen sein Herz höher schlagen. Neben dicken Wälzern macht er Bücher im Quart- und Oktavformat aus. Volkstümlichen Inhalts seien sie, erklärt der Vater. Auch verschiedene Schrifttypen erkennt Wagner, die Fraktur, die Antiqua und – die Schwabacher, die gefällt ihm bei Weitem am besten.
    Ein Name ist bei den Krämern in aller Munde: Georg Willer, ein Augsburger Verleger. Schon sein Vater habe den Buchmarkt revolutioniert und den ersten Messkatalog drucken lassen, hört Wagner. Zweimal jährlich erscheint der Katalog bereits, enthält einen ersten Teil mit lateinischen, griechischen und orientalischen Büchern, einen zweiten mit deutschsprachigen Novitäten. Damit sei man Kollegen aus anderen Zweigen weit voraus, jubeln die Verkäufer.
    Bald weiß Wagner, die Händler nennen sich Buchführer. Mit einem Fass, in dem sie ihre Waren verstauen, reisen sie landauf, landab, von einer Messe zur nächsten. Die Messreisen seien allerdings beschwerlich und lang. Von Augsburg nach Frankfurt am Main habe man zu Pferd gut sieben Tage zu veranschlagen. Doch nach Frankfurt müsse man eben. Es sei neben Leipzig das Buchzentrum schlechthin. Wagner malt sich die Städte aus, fest entschlossen, sie einmal aufzusuchen.
    Früh lernt Wagner, was goldenen Boden hat. In seiner Kindheit gibt es in Augsburg noch über hundert registrierte Verleger. Ferner Buchführer, Buchbinder, Formschneider und Kupferstecher in großer Zahl. Hinzu kommen die Drucker und deren Konkurrenten, die Briefmaler.
    Briefmaler sei ein schöner Beruf, bekundet Wagner seinem Vater gegenüber. Ob er denn in ärmlichen Verhältnissen enden wolle, bekommt er als Antwort, das sei doch eine aussterbende Zunft. Die meisten Briefmaler würden ja jetzt schon im Barfüßlerviertel wohnen oder in der Jakobervorstadt zwischen
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