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Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit
Autoren: Verschiedene
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verlieren.
    Howard nickte. »Die Ortschaft, durch die wir gekommen sind«, erinnerte er. »Mit etwas Glück finden wir dort jemanden, der uns ein frisches Pferd verkauft oder leiht. Allerdings ist es schon spät«, fügte er achselzuckend hinzu.
    »Und wenn wir das Pferd abschirren und nur mit einem Zugtier weiterfahren?« fragte ich.
    »Geht nich«, antwortete Rowlf an Howards Stelle. »Wir sin zu schwer für nur ein Tier. Der Gaul würde bloß schlappmachn’.«
    Howard nickte. »Rowlf hat recht. Ich möchte nicht mitten auf der Straße liegenbleiben. Komm – helfen wir Rowlf.«
    Diesmal widersprach ich nicht, sondern trat gehorsam neben ihn und seinen hünenhaften Diener und begann, die Schirriemen des Pferdes zu lösen. Die Vorstellung, auf dieser abgelegenen Straße mitten in der Nacht liegenzubleiben, behagte mir ganz und gar nicht. Ich habe niemals Angst vor der Dunkelheit gehabt oder etwas ähnlich Albernes – aber dieser schwarze Wald, dessen Bäume die Straße zu erdrücken und mit dürren, blattlosen Ästen wie mit schwarzen Armen auf uns herabzugreifen schienen, erfüllte mich mit Unbehagen, ohne daß ich sagen konnte, warum. Vielleicht hatte ich in den letzten Wochen einfach zu viel erlebt. Ich hatte die Vorstellung, daß ich der Sohn eines Hexers war und Dinge wie Zauberer und Dämonen real existierten und in die Welt der Menschen eingreifen konnten, akzeptiert, weil ich es mußte. Aber das hieß nicht, daß ich sie schon verarbeitet hatte. Der Spruch, daß man sich an jeden Schrecken gewöhnt, wenn er nur lange genug andauert, ist nicht wahr; im Gegenteil. Nach einer Weile fängt man an, hinter jedem Schatten eine Gefahr und in jedem Geräusch eine Bedrohung zu vermuten.
    »Jemand kommt«, murmelte Rowlf.
    Ich sah auf, trat einen halben Schritt auf die Straße hinaus und blickte in die Richtung, in die er gewiesen hatte: zurück dorthin, wo wir hergekommen waren. Im ersten Moment konnte ich weder etwas Außergewöhnliches sehen noch hören. Aber Rowlf schien über schärfere Sinne zu verfügen als ich, denn nach ein paar Augenblicken hörte ich Hufschlag, dann begann sich der Schatten eines einzelnen Reiters gegen das Schwarzgrau des Waldes abzuheben.
    Der Mann kam in scharfem Tempo näher und zügelte sein Tier erst wenige Schritte vor unserer Kutsche. Das Pferd stampfte unruhig, und der Wind trug den scharfen Geruch seines Schweißes zu mir. Er mußte sehr schnell geritten sein.
    »Guten Abend, die Herren«, sagte er steif. »Sie haben Schwierigkeiten?«
    Die Frage war rein rethorisch. Rowlf hatte das Pferd vollends abgeschirrt, während Howard und ich dem Fremden entgegengetreten waren, aber das Tier scheute noch immer und zog schmerzhaft das rechte Vorderbein an.
    »Ich fürchte«, antwortete Howard. »Eines unserer Pferde hat sich einen Stein in den Huf getreten. Und das zweite allein wird die Kutsche nicht ziehen können.«
    Der Mann hob den Kopf und blickte für die Dauer von zwei, drei Herzschlägen auf unser Fahrzeug. Obwohl ich sein Gesicht in der Dunkelheit nur als hellen Fleck erkennen konnte, entging mir der Blick, mit dem er unsere Kalesche musterte, keineswegs. Es war ein Blick, dem nicht die geringste Winzigkeit entging. Ein Blick, der mir nicht gefiel. Aber ich schwieg.
    »Ein denkbar ungünstiger Platz für einen Halt«, sagte er, nachdem er seine Musterung beendet hatte. »Bis zur nächsten Stadt sind es fast fünf Meilen. Sie sind auf einer weiten Reise?«
    Howard ignorierte seine Frage und rang sich sogar zu einem freundlichen – wenn auch spürbar kühlen – Lächeln durch. »Wir dachten an die Ortschaft, durch die wir gekommen sind«, sagte er. »Vielleicht gibt es dort ...«
    »Dort gibt es absolut niemanden, der Ihnen helfen wird«, unterbrach ihn der Reiter kopfschüttelnd. Howard runzelte die Stirn, und der Fremde fuhr nach einer Sekunde fort: »Die einzigen Pferde, die es dort gibt, sind ein paar Ackergäule, die Ihre Kutsche zuschanden schlagen würden, wenn Sie versuchten, sie einzuspannen. Und die fünf Meilen bis nach Oban«, fügte er mit einer Handbewegung nach Norden hinzu, »schaffen sie nicht mit nur einem Pferd.«
    Howard seufzte. »Dann werden wir wohl zu Fuß gehen müssen«, murmelte er. »Jedenfalls können wir nicht hier übernachten.«
    Der Fremde lachte; ein dunkler, unsympathisch klingender Laut. Sein Pferd scheute und scharrte unruhig mit den Vorderläufen, aber er brachte es mit einem brutalen Ruck zur Ruhe. »Das können Sie nicht«, bestätigte er.
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