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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena
Autoren: Brigitte Riebe
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Eins

    W enn du dieses Haus verlässt, bist du tot!«
    Niemals zuvor hatte sie ihn so gesehen, die Züge  wächsern, die Augen zornige Schlitze. Das ist sein wah res Gesicht, schoss es Gemma durch den Kopf, und nicht  die freundliche Maske, mit der er uns alle anfangs getäuscht hat. Unwillkürlich umklammerte sie das Treppengeländer fester. Nur ein Stoß – und sie läge womöglich  schon im nächsten Augenblick mit gebrochenem Genick  am Fuß der Stufen. Es hatte durchaus Augenblicke gegeben, in denen sie sich nach einem raschen Ende gesehnt  hatte, einem Tod, den man nach außen hin als tragischen  Unfall hätte ausgeben können, und endlich wären Kum mer und Scham, wären alle Albträume für immer vorbei  gewesen.
    Doch jetzt war Widerstand in ihr erwacht, spät, dafür  aber umso heftiger, und ihr war bewusst, dass Lupo das  ebenfalls spüren musste. Bevor er sie weiter bedrängen konnte, wich sie rasch nach oben aus und stand jetzt auf dem Treppenabsatz, um einiges sicherer als zuvor, was  ihn nur noch wütender zu machen schien.
    »Wo solltest du auch hin?« Seine Stimme gellte in ihren  Ohren. »Etwa wie eine Bettlerin zurück zu deinem Va ter? Was, glaubst du, hielte ein Mann wie Bartolo Santini von solch gebrauchter Ware, die ihm nichts als Schande einbringen würde?«

    Zielsicher hatte er ihren wundesten Punkt getroffen, denn diese Frage rumorte schon seit Langem in ihr. Nichts lag Gemma ferner, als den Ruf der Familie zu beflecken, doch diesen Hort der Dunkelheit konnte und wollte sie nicht länger ertragen.
    »Ich gehe«, sagte sie. »Und du wirst mich nicht aufhalten.«
    Wie ein Raubtier sprang er sie an, riss sie zu Boden, kauerte nun drohend über ihr. »Du bist meine Frau – und damit mein Eigentum. Ich kann also mit dir machen, was ich will. Soll ich es dir gleich an Ort und Stelle beweisen?«
    Er ließ sich auf sie fallen, drückte sie hart auf den Boden, mit diesem feisten Körper, den er sich in letzter Zeit angefressen hatte. Seine jungenhafte Schlaksigkeit, die sie einst so anziehend gefunden hatte, gehörte der Vergangenheit an, denn Lupo di Cecco legte sich keinerlei Zurückhaltung mehr auf. Einem nimmersatten Dämon gleich verschlang er alles, was ihm in den Weg kam: Bratenstücke, Weinberge, Silberkisten, Weiber. Zu Gemmas Schrecken begann er nun ihren Hals mit fiebrigen Küssen zu bedecken, und seine Hände zerrten an ihrer Kleidung.
    »Ist es das, was du vermisst hast? Bist du deshalb so mürrisch und verbissen? Das können wir ändern!« Seine Zungenspitze schnellte in ihr Ohr, bei dieser Überrumpelung eine geradezu obszöne Liebkosung, die ihr Tränen der Wut in die Augen trieb.
    »Lass mich sofort los!« Sie wollte sich wehren, doch ihre Beine steckten zwischen seinen stämmigen Schenkeln wie in einer Zwinge, und ihre Arme hielt er, als sie auf ihn einschlagen wollte, fest. »Du widerst mich an, Lupo!«
    »Ach, du willst es härter? Ganz nach deinem Wunsch, tesoro !« Er mühte sich nicht länger mit Bändern und Schleifen ab, sondern packte fest zu. Unter seinem wütenden Griff zerriss ihr Mieder. Gemma spürte plötzliche Kühle auf der Haut, dann schrie sie auf, denn er hatte sie so fest in die Brustspitze gebissen, dass sie blutete.
    »Du Teufel! Du tust mir weh. Hör sofort damit auf!«
    »Das gefällt dir, nicht wahr?« Er schien wie von Sinnen, das helle Haar zerzaust, die Lippen zu einem wüsten Grinsen verzogen. »Komm, sag es schon, und wenn nicht, dann soll es mir auch egal sein! Ich wusste, du würdest irgendwann so weit sein. Hast dich immer wie ein prüdes Nönnlein aufgeführt, aber das scheint ja zum Glück vorüber. Uns beiden stehen wunderbare Zeiten bevor, jetzt, wo du offenbar endlich kapiert hast, wer hier der Herr im Haus …«
    Ihr Knie traf ihn direkt ins Gemächt.
    Er jaulte auf, ließ Gemma los, was ihr genügend Zeit gab, um sich zur Seite zu wälzen. Blitzschnell war sie auf den Füßen, schaute jetzt auf ihn hinunter.
    »Fass mich nie wieder an!«, sagte sie. »Sonst kann ich für nichts garantieren.«
    »Das wirst du noch bereuen«, gurgelte Lupo, beide Hände auf den schmerzenden Leib gepresst. »Wie eine Laus werde ich dich zerquetschen, bis du …«
    Gemma rannte los, die Treppe hinunter. Vor der Küchentüre hielt sie inne. Drinnen trafen die Mägde Vorbereitungen für das Abendessen. Das Ende der Fastenzeit war noch nicht erreicht, und die dafür gültigen Speisegebote waren ebenso zahlreich wie streng, doch Lupo hatte sich auch
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