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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo
Autoren: Bettina Szrama
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mein Beichtkind, die göttliche Maria, als Einzige vom Schulmeister
das Zaubern gelernt haben soll. Die Hexenjäger werden jeden ihrer Schritte mit
Argusaugen überwachen.«
    Cordt wusste allzu
gut, dass Andreas nur das aussprach, was auch er insgeheim befürchtete, dennoch
riefen dessen Worte tiefen Unwillen in ihm hervor. Auf seine Älteste ließ er
nichts kommen. Sie war sein Fleisch und Blut und ganz aus seinem Holz
geschnitzt.
    »Beim Beelzebub! Der
Teufel soll die hohen Herren holen, doch stattdessen säuft er mit ihnen aus
einer Kanne. Schlimm genug, dass sie meine Mutter Salmeke als Hexe beklafften
und auf dem Scheiterhaufen verbrannten. Jetzt strecken sie ihre gierigen
Krallen auch noch nach meiner Rosenblüte Maria aus. Aber ich schwöre bei Gott:
Mein Kind bekommen sie nicht. Ich werde Maria vor ihnen zu schützen wissen. Was
für eine Sünde, ein unschuldiges Kind aufgrund haltloser Gerüchte als Hexe zu
beschimpfen. Sie werfen uns vor, meine Mutter habe ihre Enkelin unter der Folter
als Hexe beklafft. Gemeinsam mit ihr soll sie sich beim Hexentanz vergnügt und
obendrein die Äcker unfruchtbar gemacht haben. Ein altes Weib und ein
unmündiges Kind. Eine infame Lüge! Genauso gut hätte Salmeke meine Äcker vor
dem Ostertore verhexen können. Und doch sind sie die fruchtbarsten weit und
breit.«
    Cordt hatte sich in
Rage geredet. Mit vor Eifer geröteten Wangen beugte er sich über den Tisch.
Hinter vorgehaltener Hand wisperte er: »Ich sage Euch etwas, Hochwürden: Meine
Mutter Salmeke war nicht die Hure Luzifers, wie ihr vorgeworfen wurde, und ich
muss es ja wissen. Eher war sie eine sehr willkommene Beute für die hohen
Herren, da sie ohne Schutz dastand, als mein Vater Ludeke, Gott hab ihn selig,
uns verließ. Es ist doch allgemein bekannt, dass der ehrwürdige Richter
Kerckmann und seine Hexenjäger wie die Geier hinter reichen alten Witwen her
sind, um sich selbst zuerst die Beutel zu füllen.«
    »Wem sagt Ihr das?«
Insgeheim stimmte Andreas dem Dechen zu, doch als Geistlicher hielt er es für
seine Pflicht, seine Zunge zu zügeln. »Aber versündigt Euch nicht, Gevatter.
Den Teufel nehmt lieber nicht zu oft in den Mund, sonst wird man auch Euch mit
ihm noch in Verbindung bringen.«
    Großspurig winkte
Cordt ab und blähte die Backen auf. »An mich trauen sich die Halsabschneider
nicht heran. Lieber vergreifen sie sich an schutzlosen Weibern.« Er nahm einen
kräftigen Schluck aus der Kanne und bekreuzigte sich. »Zuerst die Mutter, dann
die Tochter. Aber um sich mit einem Mann auseinanderzusetzen, hinter dem eine
starke Zunft steht, dafür sind sie zu feige.«
    Eine große braune
Schabe krabbelte unbeholfen über den Tisch. Sie hatte an der Bierlache genippt
und ging nun im Zickzack ihrer Wege. Cordt blickte ihr hinterher und fing sie,
als sie von der Kante zu stürzen drohte, blitzschnell mit der Hand auf.
Umständlich hielt er sie in die Höhe und betrachtete interessiert das zappelnde
Tier zwischen seinen Fingern. »Was glaubt Ihr, Hochwürden, ob der Schulmeister
wohl sehr leiden muss?«, fragte er nach einer Weile des Schweigens.
    Obwohl Andreas
angeekelt das Gesicht verzog, empfand er gleichzeitig Mitleid für die Schabe,
die auch ein Geschöpf Gottes war. »Der Hohe Rat hat angeordnet, den
Schulmeister zur allgemeinen Abschreckung mit Zangen zu reißen. Die Prozedur
wurde in Lemgo bisher nur bei Mördern angewendet.«
    »Könnte man Meister
David nicht dazu überreden, den Schulmeister vorher von seinen Qualen zu
erlösen?« Cordt deutete mit der Hand die Bewegung des Halsabschneidens an.
    Ratlos hob Andreas
die Schultern unter der Soutane. »Eure Frau Mutter, Gott möge ihr verzeihen,
hatte das Glück, vor dem Brennen von Meister David durch das Messer erlöst zu
werden. Ob der Henker auch dieses Mal dazu bereit ist, das weiß nur der
Allmächtige. Solche Ausnahmen genehmigt lediglich der Hohe Rat, und der handelt
im Auftrage Gottes.«
    Er bekreuzigte sich
und grinste verschwörerisch. »Man munkelt, Eure älteste Tochter habe die Gabe,
den Henker mit ihrer Schönheit zu bezaubern und zu einer solch barmherzigen
Gnade zu überreden.«
    Cordt erwiderte das
Grinsen. Ja, sein rothaariges Töchterchen, sein leuchtender Juwel, das war
schon eine! Eine, die keine Furcht kannte, nicht einmal vor dem Henker. Eine,
die das Herz auf dem rechten Fleck trug. Genau wie er. Sie war eine echte
Rampendahl.
    In die Soutane kam
plötzlich Leben. Anscheinend hatte Andreas die Unterhaltung durstig
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