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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo
Autoren: Bettina Szrama
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neuen
Stufen am Portal gestiftet.« Vater hatte ihr eingeschärft, jedem mit den
gottgefälligen Taten zu antworten, der ihr den Reichtum vorwarf.
    Der Zahnlose
blickte aber nur auf ihren Ring am linken Mittelfinger. »Die Heilige Jungfrau
trug keine Perlen an der Hand.«
    »Und der Josef
keine Kette.« Eisels Kopf lag schräg, ihr Zeigefinger auf ihrer Nase, mit dem
sie eben noch die Halskette des Gerbers angepeilt hatte.
    Der Mann zog den
Mund zu einem umgekehrten Hufeisen ein. Dann drückte er die Dicke vor ihnen zur
Seite und verschwand in der Menge. Margit kicherte.
    »Macht die Straße
frei für den Rat«, rief eine Männerstimme über die Köpfe hinweg.
    »Seht Ihr was?«
Eisel drückte ihr den Korb an die Knie.
    Margit stellte sich
wieder auf die Zehenspitzen. »Der Stadtbüttel rennt vorbei.«
    Sie schlüpften
unter dem Baldachin am Verkaufsstand der Quindt hinaus. Vom Salzmarkt her
schoben sich immer mehr Leute aneinander, reckten die Hälse.
    »Guck mal, die
junge Vrede. Die wohnt im geschmücktesten Haus der Bierstraße. So Schnitzereien
möchte ich auch haben«, sagte eine Bürgersfrau.
    Margit tat so, als
ob sie nichts hörte. Eisel hatte den Kopf dorthin gedreht, Margit zog nur das
Schultertuch zurecht. Die Weiber hinter ihnen tuschelten weiter. Margit kannte
das, halblaut sprachen die Leute gern, gerade so laut, dass sie es hören
musste, aber sich nicht einmischen konnte.
    »Sie soll mit
ihrem Vater aus gläsernen Bechern trinken und silberne Teller haben.« Die
andere Frau ereiferte sich noch lauter.
    Ja, sie tranken
aus Gläsern. Aus Venedig stammten die, hatte der Vater erzählt. Aus dem Land,
in dem der Papst lebte, wo immer die Sonne schien, auch im Winter. Selbst wenn
sie sich zu ihnen umdrehte, würden die Weiber an ihr vorbeischauen.
    Sie spürte Eisels
Hand, die sie zwischen zwei Männern weiter nach vorn zog. Manchmal war es ein
Vorteil, klein zu sein. »Herrin, der ganze Rat läuft hin.«
    So würde sie
Reimer Knuf gleich wiedersehen. Wenn der ganze Rat erschien, war er als
Ratsherr gewiss dabei. Margit legte die flache Hand auf den Mund und schlug die
Augen nieder. Ihm zulächeln vor all den Leuten, das war zu gefährlich. Würde er
sie überhaupt bemerken, zwischen all den Leuten? Er würde sie überall suchen,
Margit war sich sicher, das hatte der Glanz seiner Augen ihr längst verraten.
    »Erschlagen haben
sie den Leggemeister wie einen räudigen Hund«, sagte die Dicke vor ihr.
    »Das kann nicht
sein, der Reker hätte sich gewehrt. Der war flink und stark.« Die Nachbarin
schüttelte die einfach geschlungene Haube.
    Eisel blickte
Margit von unten an, nagte an ihrer Oberlippe, flüsterte ihr zu: »Das war doch
der Mann mit dem schönen Gesicht wie der König bei den Gauklern.«
    »Jetzt übertreibe
nicht.«
    »Dir hat er aber
auch gefallen.«
    Der Mann vor ihnen
schüttelte heftig den Kopf. »Wie sollte der Prüfmeister sich wehren? Der
Hänfling Reker, wo sollte der Kraft schöpfen? Aus dem dünnen Leib vielleicht?«
    »Aber ja. Hast du
nie den Leggemeister bei der Arbeit erlebt, Schneider?«, sagte der Kaufherr vor
ihnen. »Ich habe genug Leinen zur Prüfung zu ihm getragen. Reker war zwar dünn,
aber stark. Der hat mit einer Hand einen ganzen Ballen Leinwand über den Tisch
geworfen und ihn zur Prüfung glatt gezogen. Und schnell war er wie ein Wiesel.«
    Margit sah die
Ratsherren vom Nikolaiort aus in die Straße biegen. Er würde hinten mit den
Handwerkern laufen. Sie trat zur Seite, die Männer vor ihr steckten die Köpfe
zusammen.
    »Die lange Bahn
Leinwand soll rot wie ein Richttuch sein.«
    »Solches wird der
Rat bald aushängen müssen«, sagte die Dicke.
    »Wer Rekers Blut
an den Händen hat, wäscht sich die Finger längst anderswo.« Der Kaufherr klang
dessen gewiss.
    Margit sah ihn
kommen. Er lief rechts neben dem gelbhaarigen Husbeek, der ihr den Ring gemacht
hatte. Vater hatte ihre Hand geführt, als der Goldschmied Maß genommen hatte.
Husbeek war lustig, hatte die Goldmünzen für den Ring zu einem Türmchen vor der
Waage aufgeschichtet und ihr eine silberne Kugel gereicht. Mit dem Finger hatte
sie das Türmchen weggekegelt. Selbst Vater hatte darüber gelacht. Margit mochte
Husbeeks wache blaue Augen und die freie Stirn. Aber er war nichts gegen
Reimer. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu lächeln, als die Reihe der
Ratsherren vorbeizog. Ihre Finger spielten mit dem Perlenring. Reimer schien
größer, hielt sich sehr gerade, als trüge er einen Ritterpanzer,
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