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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo
Autoren: Bettina Szrama
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würgte
es, er hielt sich die Hand an die Kehle.
    »Das ist
Hexenwerk, das Blut gerinnt nicht«, schrie eine Frau.
    Der Bauer wich
zurück, stieß Ertwin dabei in die Seite, murmelte ein Gebet und drückte sich
durch die Leute davon.
    »Blut gerinnt
anders ohne Luft«, schrie eine dunklere Stimme.
    Das tat es auch
bei den Hasen, die Vater bei den Jägern kaufte, wenn sie die aus den
Jagdtaschen holten.
    »Macht Platz für
den Stadtschergen.«
    Ertwin wurde von
der Menge abgedrängt.
    »Die sollen alles
vom Kaufmann auswickeln. Alles. Der ist nicht von hier«, rief einer.
    »Von Köln«, rief
ein anderer, »man hört’s an seinem Mundwerk.«
    »In Köln hausen
die mächtigsten Zauberer.«
    Ertwin schüttelte
die keifende Frau ab, die sich an ihn gehängt hatte. Ein Bettler schob sich
zwischen sie. Der Stadtscherge in den engen weiß-roten Beinlingen nahm seinen
langen Amtsspieß, setzte die Spitze unter der Hüfte des toten Mannes an und
hebelte das Eisenstück unter den Leib. Es sah aus, als ob der Leib zuckte,
Ertwin musste schlucken. Dann drehte der Scherge den Toten herum.
    »Oh Gott, das Böse
ist in der Stadt.«
    Das schmale
Gesicht mit den geraden Brauen, die sich rechts und links der Nase zu einer
kleinen Spitze hochbogen, kannten alle. Jeder in der Stadt hatte dieses Kinn
mit der Grube, als hätte ein Kind seinen Daumen hineingedrückt, beim Reden
hüpfen sehen.
    Es war der
Ratsherr Tomas Reker.
    Ein Finger
berührte Ertwin am Ellenbogen.
    Der Kölner
Kaufmann hatte sich neben seinen Kutscher gedrängt und winkte Ertwin zu seinem
Ohr. »Wer ist das?«, flüsterte er. Seine Augen wanderten dabei unruhig über die
Bettler, die sich an den Linsen- und Mehlsäcken auf der Straße vorbeidrückten.
    »Der Leggemeister,
der unser Osnabrücker Leinen prüft.«
    Der Kaufmann pfiff
durch die Zähne.
    »Die Hanseleute
haben mich nicht umsonst vor Osnabrück gewarnt … Kein Rauch ohne Feuer.«

2.
    »Stapelzwang,
Stapelzwang. Fällt der wendischen Hanse in Lübeck nichts anderes mehr ein, als
uns den Tuchhandel zu verderben?«
    Der Bürgermeister
hieb so fest auf den Ratstisch, dass das Zinngeschirr vor ihm klirrte. Simon
Leent verspürte nicht die geringste Lust, auf den Wutanfall einzugehen, wie
viel Zeit sollte er denn noch unnütz vertun. Zu Hause in seinem Laden richtete
seine Frau mit den Knechten die Fässer für den Küfer, den Preis dafür wollte er
selbst noch aushandeln. Aber er konnte nicht einfach aufstehen und den Rat
verlassen. Leent hob die Hand. »Die Lübecker haben zu viel holländisches Tuch
in den Ostseestädten auf dem Markt feil gesehen, das nicht über die Hanse
verschifft wurde.«
    »Die Lübecker
waren doch selbst schuld. Ohne den Kaperkrieg hätte der Dänenkönig den
Holländern nicht das Land geöffnet. Nun stapeln die in Kopenhagen und segeln
bis nach Nowgorod«, sagte der Bürgermeister.
    Leent sah das
weiße Unterleinen in den Seitenschlitzen von dessen Überwurf blitzen, so weit
breitete der Bürgermeister die Arme über dem Ratstisch aus. Beinahe wäre dabei
die Weinkanne umgestürzt. Leent wollte eins draufsetzen. »Der dänische Handel
wird sich nicht durchsetzen, es ist ein Umweg. Die Lübecker regen sich umsonst
auf.«
    Die Ratsherren
liefen vor den Wandbehängen im Ratssaal durcheinander.
    Die grüne Mütze
des Kaufmanns Terbold saß ein wenig schief auf dessen Haupt. »Simon Leent, ich
versteh Euch nicht. Ihr wart selbst oft genug in Köln, ja, bis zu den Welschen
nach Paris seid Ihr gereist. Seht Ihr das nicht? Die Dänen bedrohen Lübeck wie
uns der von Köln jetzt beanspruchte Stapelzwang für Tuche. Was ist, wenn es den
Kölnern gelingt, den durchzusetzen? Dass ganz Flandern und Brabant in Brügge
ihr Leinen und Tuch stapeln mussten, hat uns bisher nicht weiter geschadet.
Denn das brabanter Tuch macht über Brügge keinen Umweg zu uns. Das holländische
Tuch ist jedoch über die Ijssel um Wochen schneller hier in Osnabrück, als wenn
es einen Umweg nach Köln nehmen müsste.« Eine Strähne blondes Haar lugte unter
dem rot bestickten Rand der Mütze hervor. Terbold reckte das Kinn und zupfte
die Bartspitze gerade.
    Leent dachte jedes
Mal an einen Rehbock, so aufrecht und gerad saß der dünne Leinenhändler wie das
Wild, wenn es im Morgentau bei der Äsung Wache hielt. Aber es war nicht nur
das. Terbold drehte sich ebenso schnell wie ein Reh. Jetzt war er schon drei
Sitze weiter und stand bei den Ratsherren aus der Haselaischaft. Leent griff
zum Zinnbecher.
    Terbold
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