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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo
Autoren: Bettina Szrama
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Neustadt.
    »Mit ihrem Feind
im Bunde? Die sind des Teufels.« Terbold sprang flink wie ein Reh durch den
Saal. »Bin ich denn der Einzige, dem die Kölner Heerschar Vieh gestohlen hat?«
    Die Ratsherren
riefen wild durcheinander. Seit Wochen begangen sie alle Sitzungen so. Diese
endeten im Streit und gegenseitigen Vorwürfen. Dabei drohte Osnabrück über die
Reichsacht hinaus, dass die Stadt bald auch in der Hanse ohne Bundesgenossen
allein dastand. Lübeck hatte die wendischen und preußischen Hansestädte hinter
sich gebracht, Köln und die anderen in Westfalen dachten nur an sich, weil der
Kölner Erzbischof mit seinen Truppen durchs Land zog und um die Vorherrschaft
in Westfalen stritt. Und die Herren von Kleve-Mark schlugen sich wie je auf die
Seite, die am meisten zahlte.
    Was nützten die
schmerzenden Knochen, wenn er die Erfahrung des Alters nicht weitergab? »Haltet
ein. Schlagen wir nicht alte Schlachten. Uns drohen neue. Bedenkt Euch. Wer
hilft uns, wenn wir nicht uns selbst?« Leent erhob sich. »Der Rat beschloss,
den Grafen nicht freizulassen. Mag sein Haus uns drohen wie damals, wir
widerstehen wieder.« Leent hob die Hand, als er sah, dass Knuf die Hände in die
Hüften stemmte. »Wartet. Der Prüfmeister hat recht. Wir müssen nicht nur den
Lübeckern antworten, sondern auch auf das neue Hilfeersuchen Soests.«
    »Was schlagt Ihr
vor?« Der Erste Bürgermeister saß, die Arme auf den Lehnen, im Amtsstuhl.
    Leent legte die
Hände ineinander. Die Ratsherren würde er nicht von der Hilfe für Soest
überzeugen können, jetzt noch nicht. »Suchen wir Zeit zu bekommen. Meine Fässer
kommen gerade leer aus Holland zurück, dabei sind neue Nachrichten. Deventer
wird bald dem Kölner Rat Widerstand leisten. Auch in Dordrecht will man sich
den Handel mit uns nicht verderben. Schreiben wir nach Lübeck, dass wir den von
Köln verlangten Stapelzwang für holländisches Tuch nur beachten, wenn es auf
einem Hansetag zu Köln beschlossen wird.«
    Die Ratsherren
murmelten, der Erste Bürgermeister sah sich in der Runde um, als keiner das
Wort ergriff, nickte er.
    Doch dann tat Knuf
zwei Schritt von der Fensterseite vor. »Warten, Simon Leent, ich höre immer das
Gleiche aus Eurem Mund. Wollt Ihr auch warten, bis unser Bischof den Soestern
das Rückgrat bricht?«
    Dieser Heißsporn,
aber mit dreißig hatte Leent auch noch keine Geduld mit den Dingen besessen.
Und kein echtes Verständnis gehabt für das Gegeneinander der Mächte in
Westfalen. »Nein. Aber bevor ich einen Schützen von unserer Mauer abziehe und
dort zu Hülfe schicke, will ich sicher sein, dass wir ihn nicht selber
brauchen. Ihr alle wisst, dass die Mauer an der Neustadt wieder gesackt ist.
Wollen wir uns auf das Vorwerk allein verlassen und unseren Graben, der jetzt
im Sommer niedrig Wasser führt?«
    »Eine neue
Schatzung für alle nur bei gerecht geteilten Lasten. Diesmal zahlt Ihr
Kaufleute einen gerechten Anteil an der Steuer.«
    Leent musste sich
beim Aufstützen umdrehen. Am anderen Ende der Tafel fuhr sich der Goldschmied
Piet Husbeek mit beiden Händen durchs gelbe Haar. Dann griff er mit der Hand unter
den Tisch, sodass sich seine Ellenbogen im blauen Wams nach außen drehten. Die
Hand erschien wieder, warf einen ledernen Beutel. Der flog genau auf den Platz
zu, an dem Leent stand, traf den Weinbecher, der gegen die Weinkanne schoss.
    »Wenn Ihr ihn umdreht,
Leent, werdet Ihr nur ein paar Viertelpfennige drin finden. Wir haben nichts
mehr, was Ihr Kaufleute aus uns pressen könnt. Fehde ist im Land, Ihr weint um
Eure Güter, weil Euch ein paar Ochsen von der Weide getrieben werden. Als ob
uns der Graf Hoya nicht das ganze Vieh von der Laischaft gestohlen hätte. Ihr
vergesst schnell, Simon Leent. Die Goldschmiede werden auf unser Vermögen keine
ungerecht erhobene Schatzung zahlen. Arbeitet Ihr Kaufleute erst einmal Eure
Pflichttage bei Wacht und Mauerwerk ab. Wir haben genug Steuern gezahlt.«
    Der Erste
Bürgermeister lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Ihr mögt der beste Goldschmied
der Stadt sein. Eure Fibeln mögen bis nach Lübeck verkauft werden, Husbeek.
Aber was wisst Ihr davon, wie Ritter und Fürsten uns auf den Handelswegen
zusetzen? Eure Käufer kommen in die Stadt. Wir müssen uns die Käufer suchen.
Glaubt bloß nicht, dass es Euch besser gehen würde, erränge der Bischof wieder
das Sagen in der Stadt.«
    Am anderen Ende
stützte Knuf sich mit beiden Fäusten auf den Ratstisch. »Machen wir’s wie
andere Hanseorte.
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