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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Der Page und die Herzogin
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1
    SEINE GNADEN KAUFT EINE SEELE
    Ein Kavalier schlenderte durch eine
Seitengasse von Paris; er hatte eben das Haus einer gewissen Madame de
Verchoureux verlassen. Sein Gang hatte etwas Geziertes, denn die roten Hacken
seiner Schuhe waren sehr hoch. Ein langer purpurner, rosa gefütterter Mantel
hing um seine Schultern und enthüllte in lässigem Fall einen reichbordierten
und mit goldenen Tressen besetzten Rock aus purpurnem Brokat, eine geblümte
Seidenweste, makellose Kniehosen und verschwenderisches Juwelengefunkel auf
Halsbinde und Jabot. Ein Dreispitz mit scharfen Kanten saß auf der gepuderten
Perücke, ein langes bebändertes Stöckchen wippte in der Hand. Es mochte wenig
Schutz gegen Straßenräuber bieten, und hing auch ein leichter Galadegen an des
Kavaliers Seite, so war doch sein Heft in den Mantelfalten verborgen und nicht
schnell zur Hand. Zu dieser späten Stunde und in dieser menschenleeren Gasse
bedeutete es den Gipfel der Verwegenheit, unbegleitet und juwelenglitzernd
dahinzuschreiten, doch der Kavalier schien seiner Tollkühnheit gar nicht
bewußt zu sein. Er ging achtlos seines Wegs, blickte weder nach rechts noch
nach links, ohne scheinbar eine Gefahr zu gewärtigen.
    Doch als
er, verspielt sein Stöckchen wirbelnd, weiterschritt, stürzte sich, wie von
einer Kanone abgeschossen, aus einem finsteren Durchlaß zur Rechten ein Körper
auf den prächtigen Kavalier. Die Gestalt klammerte sich an den eleganten
Mantel und suchte unter Schreckensschreien das Gleichgewicht zu wahren.
    Seine
Gnaden, der Herzog von Avon, machte eine rasche Wendung, packte die Handgelenke
seines Angreifers und drehte sie mit einer unbarmherzigen Kraft einwärts, die
sein stutzerhaftes Aussehen Lügen strafte. Das Opfer wimmerte schmerzlich auf
und brach zitternd in die Knie.
    «M'sieur,
ach, lassen Sie mich los! Ich wollte ja nicht. – Ich wußte nicht – Ich hätte
nie – Ach, M'sieur, lassen Sie mich doch los!»
    Seine
Gnaden beugte sich, leicht zur Seite geneigt, über den Jungen, so daß das Licht
einer in der Nähe stehenden Straßenlaterne auf das weiße, zu Tode erschreckte
Gesicht fallen konnte. Große veilchenblaue Augen starrten wild zu ihm empor, in
deren Tiefen Entsetzen lag.
    «Für derlei
Spiele scheinst du mir reichlich jung», sagte der Herzog mit schleppender
Stimme. «Oder glaubst du mich überrumpeln zu können?»
    Der Knabe errötete,
und seine Augen verdunkelten sich vor Empörung.
    «Ich wollte Sie nicht berauben!
Wirklich nicht, wirklich nicht! Ich – ich wollte durchbrennen! Ich – oh,
M'sieur, lassen Sie mich doch los!»
    «Alles zu
seiner Zeit, Kind. Von wo wolltest du durchbrennen, wenn ich fragen darf? Von
einem anderen Opfer?»
    «O nein!
Ach bitte, lassen Sie mich los! Sie – Sie verstehen das nicht! Er wird schon
meine Verfolgung aufgenommen haben! Ach bitte, bitte, Milor'!»
    Die
seltsamen, von schweren Lidern beschatteten Augen des Herzogs wandten sich
nicht vom Jungengesicht ab. Sie hatten sich plötzlich weit geöffnet und einen
gespannten Ausdruck angenommen.
    «Und wer,
Kind, ist dieser 'Er'?»
    «Mein –
mein Bruder. O bitte ...»
    Um die Ecke
des Gäßchens kam ein Mann gehastet. Als sein Auge auf Avon fiel, hielt er inne.
Der Knabe erschauerte und klammerte sich an Avons Arm.
    «Ah!» stieß
der Mann aus. «Wenn diese Mißgeburt Euch zu berauben versucht hat, Milor',
wird er's teuer büßen müssen, bei Gott! Du Lump, du! Undankbares Biest! Das wirst
du noch bereuen, kann ich dir versichern! Ich bitte tausendmal um
Entschuldigung, Milor'! Der Bursche ist mein jüngerer Bruder. Grade
verprügelte ich ihn wegen seiner Faulheit, da schlüpfte er mir davon ...»
    Der Herzog
hob ein parfümiertes Taschentuch an seine schmalen Nüstern.
    «Bleib Er
mir vom Leibe, Geselle», sagte er arrogant. «Prügel dürften zweifellos dem
Jungen nicht schaden.»
    Der Knabe
heftete sich noch mehr an seine Seite. Er unternahm keinen Fluchtversuch, doch
seine Hände zuckten wie im Krampf. Abermals schweiften die seltsamen Augen des
Herzogs über ihn und verweilten kurz auf den gestutzten kupferroten Locken, die
in wilder Unordnung waren.
    «Wie
gesagt, Prügel dürften dem Jungen nicht schaden. Sein Bruder, sagte Er?» Nun
starrte er den schwarzen Burschen mit den groben Gesichtszügen an.
    «Ja, edler
Herr, mein Bruder. Seit dem Tod unserer Eltern hab ich für ihn gesorgt, und er
vergilt es mir mit Undankbarkeit. Er ist eine Strafe Gottes, edler Herr, eine
Strafe Gottes!»
    Der Herzog
schien in
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