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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo
Autoren: Bettina Szrama
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angeboten habe, weil er so gut rechnen kann.« Breit grinste er
in Cordts Richtung, der ein verdutztes Gesicht machte.
    Augenblicklich
hellten sich Marias Züge wieder auf. »Ihr seid so gütig, Hochwürden«, hauchte
sie über seine Hand. Als sie ihren Kopf wieder hob, entfuhr ihren Lippen jedoch
ein leiser Aufschrei, und sie flüchtete sich erschrocken in Andreas’ Arme. Aus
den weiten Falten seiner Soutane heraus starrte sie gebannt den Stadtsekretär
Johannes Berner an, der in der Begleitung zweier Stadtdiener bisher unbemerkt
den Raum betreten hatte.
    Die Überraschung
zeichnete sich deutlich auf den Gesichtern der Anwesenden ab, denn Berner war
dafür bekannt und gefürchtet, ohne Voranmeldung aufzutauchen. Er hielt sein
Verhalten für eine von Gott vorbestimmte Notwendigkeit, nahm man doch dadurch
den Zauberern die Möglichkeit zur Flucht oder konnte sie gar während der
Ausübung ihres teuflischen Handwerks überführen. Ohne sich an der allgemeinen
Verblüffung zu stören, näselte er auf neumodische Art: »Deche Rampendahl, auf
Beschluss des Hohen Rates habt Ihr uns das Kind Grönspan auszuliefern, wenn Ihr
Euch nicht der Zauberei mitschuldig machen wollt!«
    Ohne Aufforderung
trat Berner in die Stube, während seine etwas zu eng stehenden Augen
blitzschnell die Umgebung nach einem möglichen Fluchtweg absuchten. Befriedigt,
nichts dergleichen entdeckt zu haben, stürzte er sich sogleich auf den Jungen
und deutete mit einer Kopfbewegung den Stadtdienern an, seinem Beispiel zu
folgen und notfalls, sollte sich der Deche weigern, den Jungen herauszugeben,
auch Hand anzulegen.
    Cordt erholte sich
als Erster von der Überraschung. Stumm und äußerlich gelassen hatte er sich
Berners Forderung angehört und war vor seinem Bier sitzen geblieben. Doch als
der Junge in seiner Angst von der Bank sprang und hinter dem breiten Rücken
seines Meisters Schutz suchte, erhob er sich ruckartig. Mit auf den Tisch gestützten
Fäusten und nach vorn geneigtem Oberkörper demonstrierte er dem herausgeputzten
Berner die Macht des Hausherrn und starrte ihm in das gepuderte Gesicht. Obwohl
Berner mit dem Eindringen in sein Haus seine Befugnis weit überschritten hatte,
wahrte Cordt die Höflichkeit des Gastgebers. Ernst wies er dem Stadtsekretär
den freien Stuhl neben dem Pfarrer zu und gab Catharina ein Zeichen, einen Krug
für ihn zu füllen. »Bei einem Schluck Bier lässt es sich gleich besser
verhandeln.«
    Doch Berner winkte
ab und schob den Krug mit der Stockspitze von sich. Aus den Augenwinkeln heraus
erfasste er lauernd die anwesenden Personen und bedachte, nachdem er sich kurz
bekreuzigt hatte, den Pfarrer mit einem ironischen Lächeln. Während er seinen
dürren Oberkörper wegen eines Venenleidens auf einen goldverzierten Stock
stützte, spielte er den Überraschten und schnarrte süffisant: »Ihr hier,
Hochwürden? Ich hatte Euch bei den Delinquenten im Turm vermutet.«
    Andreas deutete mit
dem Kopf einen Gruß an und zuckte dabei gelassen mit den Schultern. Auch wenn
Berner die rechte Hand Kerckmanns war und zudem der meistgehasste Mann in
Lemgo, ihn vermochte er nicht zu beeindrucken.
    »Meine Schäfchen,
die Gottes Beistand benötigen, sind überall, hoher Herr!«
    Berner maß Andreas
mit einem seltsamen Blick aus seinen grauen Vogelaugen und schoss dann mit
einer Lebendigkeit herum, die dem dürren Mann niemand zugetraut hätte. Mit auf
den Bäckerjungen gerichtetem Stock befahl er: »Gefangen nehmen!«
    Als die Knechte sich
anschickten, den Befehl auszuführen, erhob Cordt dröhnend seine Stimme. »Ihr
dringt in mein Haus ein, hoher Herr, und denunziert meinen Bäckerjungen?«,
vermochte er seine Wut nur mühsam zurückzuhalten. »Er ist noch ein Kind und hat
sich keines Vergehens schuldig gemacht. Will der Hohe Rat jetzt etwa auch
Kinder brennen?« Schnell zog er den Jungen hinter der Bank hervor und drehte
ihn so, dass er ihm zu Angesicht stand.
    »Überzeugt Euch
selbst!« Cordt fasste dem Kind mit der freien Hand unter das Kinn und hob
seinen Kopf, sodass ihn der Junge ansehen musste. Mit gerunzelter Stirn suchte
er in den blauen Augen etwas, das wie der Leibhaftige aussah und ihm verriet,
dass diese junge Seele verloren war. Doch er fand nichts als hilflose Angst.
»Kommt so etwa der ›schwarze Kerl‹ daher? Mit solch unschuldigen Kinderaugen?«
Er untermauerte seine Frage, indem er den Jungen ein Stück in Berners Richtung
schob, der diesen Moment zu nutzen wusste und nach dem Jungen griff.
    Doch Cordt
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