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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo
Autoren: Bettina Szrama
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zog Peter
blitzschnell aus dessen Reichweite und schob ihn in Andreas’ Arme. Schützend
stellte er sich vor die beiden. »Ich verlange eine Erklärung, Amtmann Johannes
Berner«, donnerte er. »Euer Verhalten ist nicht rechtens!«
    »Und Eures, Deche
Rampendahl, bestätigt mir, dass der Junge ein Zauberer ist. Der Teufel in ihm
ist bereits im Begriff, Gewalt auch über Euch zu erlangen.« Lange schon stand
Johannes Berner in städtischen Diensten, viel zu lange, um sich von dem jungen
Dechen einschüchtern zu lassen. Im Gegenteil. Er war dem Quertreiber Rampendahl
weitaus überlegen und würde ihn anders anpacken. An seiner empfindlichsten
Stelle. Ein falsches Lächeln legte sich auf das starre, geschminkte Gesicht.
    »Euch ist bekannt,
dass der Schulmeister Beschoren achtzehn Kindern das Zaubern lehrte und dass zu
diesen Besagten auch Jungfer Maria zählt? Gerade um Eurer Tochter willen
solltet Ihr nicht unbesonnen handeln. Zudem ist Eure Mutter Salmeke eine
gebrannte Hexe und, soweit es mir zu Ohren kam, Jungfer Margaretha das Mündel
des gleichfalls der Zauberei bezichtigten Eheweibes des Schulmeisters.«
    Die mit Bedacht
gewählten Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Der Deche wurde um eine
Farbnuance blasser, vergaß seinen christlichen Anstand und ballte hinter dem
Rücken die Fäuste. »Gleich hau ich ihm eins in seine blasierte Fresse«, zischte
er wütend über die Schulter zu Andreas gewandt. Dann spürte er, wie jemand an
seinem Rock zupfte.
    Es war Peter. Vor
Angst schlotternd und mit grenzenloser Panik in den weit aufgerissenen Augen,
flehte der Junge: »Bitte, Meister, lasst mich mitgehen. Sicher wird sich alles
aufklären, und Gott wird über mein Schicksal wachen.«
    Die Worte berührten
Cordt, zeugten sie doch von der Verbundenheit des Jungen zu seiner Familie. Er
würde sich lieber opfern, als damit rechnen zu müssen, dass seinem Meister
durch ihn ein Ungemach widerfuhr. Gerührt strich er Peter mit der Hand über die
blonden Locken, doch gleichzeitig reifte in ihm ein Entschluss.
    »Ich gebe den Jungen
nicht heraus. Ihr müsst ihn Euch schon holen«, brüllte er und stellte sich vor
ihn, der hinter seinem breiten Rücken vor Berners Zugriff sicher war. Dann zog
er den Degen. Mit einer Stimmgewalt, die selbst den Stadtsekretär
zusammenzucken ließ, schleuderte Cordt ihm entgegen: »Herr, verschwindet
augenblicklich aus meinem Haus und betretet es nie wieder! Und lasst Euch nicht
einfallen, Hand an meine Tochter zu legen!«
    Mit einem Aufschrei
flüchtete sich Catharina zu den Mädchen hinter den Kamin und schickte, auf Gott
vertrauend, einen hilflosen Blick zu Hochwürden.
    Andreas spürte ihre
Hilflosigkeit und erfasste rasch die Situation. Einen solchen Ungehorsam würde
Berner nicht ungestraft hinnehmen. Er musste Cordt mit Gottes Hilfe zur Umkehr
bewegen. Obwohl sich seine Züge aschfahl von der dunklen Soutane abhoben, gebot
er dem Jungen leise, sich nicht von der Wand wegzubewegen, und trat dann
beherzt zwischen Berner und Cordt. Beschwörend hob er die schmalen Hände.
»Versündigt Euch nicht vor Gott, meine Herren, und belegt den Streit gütlich!«
Mahnend berührte er Cordts Hand, die leicht zitternd den Degen auf Berner
gerichtet hielt: »Zügelt Euer Temperament, Deche, und denkt an Eure Familie.«
    Doch Cordt schnaubte
wie ein verwundeter Stier. Die Einwände des Freundes erreichten seine Ohren
nicht, geschweige denn seinen Verstand. Wie eine lästige Puppe schob er Andreas
zur Seite und ließ Berner warnend die Spitze des Degens durch die Seide des
Überrocks spüren.
    Berner wurde
abwechselnd rot und blass und schob trotzig das spitze Kinn nach vorn. Er
schwitzte so stark, dass sich die Schminke in schmalen Rinnsalen löste und sich
mit der dick aufgetragenen Puderschicht vermischte. Dennoch wusste der kleine
schmächtige Mann in den lächerlichen Absatzschuhen und mit dem steifen Filzhut
um die städtische Macht hinter sich und wich keinen Zoll zurück. Aus seinem
Gebaren sprachen Macht und Gnadenlosigkeit. Er feixte Cordt frech ins Gesicht,
doch seine Hände zitterten sichtbar. Die Unverfrorenheit des Dechen erlaubte
ihm nun, auch die Jungfer Rampendahl zu denunzieren. Listig ergriffen seine
Finger die Degenspitze. Er schwitzte noch stärker, als die scharfe Klinge die
Innenfläche seiner Hand einritzte, ließ aber seinen Widersacher, der ihn
entschlossen zurückdrängte, nicht einen Augenblick aus den Augen. Etwa auf Höhe
des Kamins griff er plötzlich mit der anderen Hand
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