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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
Autoren: Rachel Neumeier
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einzusammeln«, sagte er. So, wie er es aussprach, war das keine Frage, sondern ein Befehl.
    »Ich …«, stammelte Onkel Talenes. »Meine Frau …«
    »Das Haus des Fürsten ist nicht so weit entfernt, dass Ihr nicht in der Lage wärt, zu Besuch zu kommen, falls das Euer Wunsch ist«, sagte Enned. Er redete nicht davon, dass Maianthe zu Onkel Talenes zu Besuch kommen würde.
    »Aber …«, fing Onkel Talenes an, doch er wurde erneut unterbrochen.
    »Mir wurde aufgetragen, vor der Mittagsstunde zurückzukehren. Wir müssen also innerhalb einer Stunde aufbrechen.« Der junge Mann wirkte sehr bestimmt. »Ich bin absolut sicher, dass es nicht lange dauern wird, Maianthes Sachen zu packen.«
    Onkel Talenes starrte erst den jungen Mann an, dann Maianthe. Zu seiner Nichte sagte er mit einem versöhnlichen Unterton, den sie nie zuvor bei ihm gehört hatte: »Maianthe, das ist unerhört – es ist unerträglich! Du musst dem hochverehrten, äh, dem hochverehrten Enned, Sohn von Lakas, erklären, dass du ganz sicher hier bleiben möchtest, unter Menschen, die dich kennen und die nur das Beste für dich wollen …«
    Maianthe sah ihm kurz ins Gesicht, senkte dann den Blick und starrte gebannt auf den Fußboden.
    Onkel Talenes warf die Hände hoch und ging hinaus. Maianthe hörte ihn nach Tante Eren und den Dienstboten brüllen. Sie hob den Kopf und warf dem hochverehrten Enned, Sohn von Lakas, einen vorsichtigen Blick aus den Augenwinkeln zu.
    Der junge Mann lächelte sie an. »Wir überlassen das ihnen. Wo können wir warten, ohne jemandem in die Quere zu kommen?«
    Maianthe führte ihn auf den Hof.
    Enned, Sohn von Lakas, bewunderte die mächtigen Eichen und fuhr mit der Hand durch den Springbrunnen. Maianthe stand unsicher herum und sah ihn an, und er wandte sich ihr zu und lächelte sie erneut an.
    Sein Lächeln erstreckte sich auf die Augen und erweckte in Maianthe den Wunsch, es zu erwidern. Aber sie tat es lieber nicht, weil er dies vielleicht als anmaßend empfunden hätte. Das Lächeln vermittelte ihr jedoch genug Mut, um zu fragen: »Ich kehre nicht hierher zurück?«
    »Das hängt von den Wünschen meines Fürsten ab«, antwortete Enned ernst, »aber ich halte es für höchst unwahrscheinlich.«
    Maianthe dachte darüber nach. Schließlich wandte sie sich ab, ging von einer der großen Eichen zur nächsten, stellte sich vor jeder auf die Zehenspitzen – streckte sich so hoch, wie sie nur konnte – und öffnete nacheinander die Türen sämtlicher Käfige.
    Die Vögel flatterten ins Freie und sausten in einem Wirbel aus Himmelblau und zartem Grün, weichem Primelgelb und reinem Weiß durch den Hof. Der Vogel, dessen Gefieder das blasseste Blau aufwies, landete kurz auf Maianthes erhobener Hand, und dann flogen sämtliche Vögel über die Mauer hinweg und schwangen sich zum weiten Himmel hinauf.
    Maianthe senkte die Hand langsam, als alle Vögel fort waren. Als sie nervös zu Enned hinübersah, stellte sie fest, dass er sie zwar eindringlich musterte und nicht mehr lächelte, seine Miene jedoch eher resigniert als verärgert wirkte.
    »Na ja«, sagte er, »ich vermute mal, ich kann dafür zahlen, wenn der hohe Herr Talenes das verlangt.«
    Onkel Talenes verlangte es jedoch nicht. Er war zu beschäftigt damit, Maianthe zuzureden, dass sie im Grunde bei seiner Familie bleiben wollte. Tante Eren versuchte es ebenfalls, wenn auch nicht sehr angestrengt. Maianthe blickte entschlossen auf den Fußboden von Onkel Talenes’ Arbeitszimmer, dann auf den Mosaikboden der Eingangshalle und schließlich auf den Kies der Auffahrt. Als Enned sie fragte, ob auch all ihre Habseligkeiten eingepackt worden waren, nickte sie, ohne auch nur einmal aufzublicken.
    »Nun, sollte etwas fehlen, kannst du es ja jederzeit anfordern«, erklärte ihr Enned und sagte dann zu Onkel Talenes: »Ich danke Euch, hoher Herr Talenes, und mein Fürst lässt Euch ebenfalls seinen Dank ausrichten.« Dann half er Maianthe formell in die Kutsche und gab dem Fahrer ein Zeichen. Die Pferde warfen die Köpfe hoch, trabten geschwind die Auffahrt hinab und hinaus auf den Straßendamm, der durch das tiefe Sumpfland nach Tiefenau führte.
    Maianthe machte es sich auf der gepolsterten Bank bequem und blickte starr zum Fenster hinaus. Ein Vogelruf klang aus dem Sumpfland herüber: Er stammte nicht von einem derleuchtend bunten Vögelchen aus den Käfigen, sondern von einem größeren und viel wilderen Tier.
    »Das große Haus wird dir gefallen«, sagte Enned zu
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