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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
Autoren: Rachel Neumeier
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setzte Bertaud ausführlich die Nachteile der Tiefenauer Märkte auseinander und versicherte ihm, dass die Märkte von Desamion auf der anderen Seite des Flusses keineswegs besser waren. Wenn im Redefluss von Onkel Talenes und Tante Eren Lücken auftraten, befragte Fürst Bertaud Teres über die Jagd im Sumpf und erkundigte sich bei Kaeres nach den besten Adressen in Tiefenau, um Bögen und Pferde zu kaufen, und er lauschte ihren enthusiastischen Antworten mit so viel Aufmerksamkeit wie dem Vortrag ihrer Eltern.
    Und er erklärte Maianthe, dass er ihren Verlust bedauerte. Zudem fragte er sie, ob es ihr gefiel, bei ihrem Onkel Talenes in Tiefenau zu leben.
    Bei dieser Frage erstarrte Maianthe auf ihrem Platz. Sie konntenicht wahrheitsgemäß antworten; sie hatte auch nicht erwartet, dass ihr fürstlicher Vetter überhaupt mit ihr reden würde, und sie war zu verwirrt, um zu lügen. Die Stille dehnte sich in die Länge und war entsetzlich unbehaglich.
    Schließlich versicherte Onkel Talenes Fürst Bertaud in scharfem Ton, dass Maianthe natürlich vollkommen glücklich war – denn sorgte er nicht in jeder Hinsicht für sie? Sie wäre außerdem eng mit seinem Sohn Teres befreundet; die beiden würden ganz gewiss in zwei Jahren heiraten, wenn Maianthe alt genug war. Teres warf seinem Vater einen Seitenblick zu, schluckte sichtlich und bemühte sich um einen enthusiastischen Tonfall, als er ihm beipflichtete. Kaeres stützte einen Ellbogen auf den Tisch und grinste seinen Bruder an. Dann schalt Tante Eren ihre Nichte, weil sie so unhöflich gewesen war, die Frage ihres fürstlichen Vetters nicht zu beantworten.
    »Ich bin glücklich«, wisperte Maianthe pflichtbewusst. Aber irgendetwas bewegte sie, mit einem kurzen Blick auf ihren fürstlichen Vetter zu ergänzen: »Nur vermisse ich Tef manchmal.«
    »Wer ist Tef?«, fragte Fürst Bertaud sie sanft.
    Maianthe zuckte angesichts des kalten Blicks zusammen, mit dem Tante Eren sie bedachte, und öffnete den Mund. Doch sie wusste nicht, wie sie auf die Frage antworten sollte, und blickte Fürst Bertaud schließlich nur hilflos an. Tef war Tef; es schien unmöglich, ihn darüber hinaus zu erklären.
    Fürst Bertaud wandte sich an Onkel Talenes. »Wer ist Tef?«
    Onkel Talenes schüttelte nur verdutzt den Kopf. »Ein Freund aus Kindertagen vielleicht?«, vermutete er.
    Maianthe starrte auf ihren Teller und sehnte sich inbrünstig danach, sie könnte einfach hinaus auf den Hof laufen und sich hinter den mächtigen Eichen verstecken. Dann wandte sich Onkel Talenes wieder dem Thema »Zölle und Handel« zu, und das Unbehagen wurde überdeckt. Für Maianthe schien der Restder Mahlzeit Stunden zu dauern, obwohl ihr fürstlicher Vetter lange vor Einbruch der Abenddämmerung das Haus wieder verließ.
    Sobald er aufgebrochen war, schalt Tante Eren Maianthe erneut für ihre Tollpatschigkeit und Unhöflichkeit. Jedes guterzogene Mädchen sollte doch fähig sein, anstandslos auf eine einfache Frage zu antworten, hob sie hervor. Und wie war Maianthe nur auf die Idee gekommen, Fürst Bertaud könnte sich für irgendeinen kleinen Freund aus vergangenen Jahren interessieren? Man könnte glatt den Eindruck haben, Maianthe verspürte nicht die geringste Dankbarkeit für irgendetwas, das Talenes für sie getan hatte, und niemand konnte ein undankbares Kind leiden. Sieh auf, Maianthe, und sag richtig: »Ja, Tante Eren.« Sie war schließlich viel zu alt, um wie ein verzogenes Kleinkind zu schmollen, und Tante Eren duldete das auf keinen Fall.
    Maianthe sagte »Ja, Tante Eren« und »Nein, Tante Eren«, blickte auf, wenn sie dazu aufgefordert wurde, und schlug die Augen nieder, wann immer es möglich war. Zu guter Letzt erlaubte ihr die Tante, auf den Hof hinaus zu fliehen. Maianthe hockte sich neben die größte Eiche und sehnte sich verzweifelt nach Tef. Als sie ihrem Vetter diesen Namen genannt hatte, hatte das Tef allzu deutlich zurück in ihr Gedächtnis gerufen.
    Sechs Tage nach Fürst Bertauds Besuch fuhr kurz nach der Morgendämmerung ohne Ankündigung eine vierspännige Kutsche am Haus vor; sie zeigte das Wappen des Königs in goldenen Schnörkeln auf einer Tür und das des Deltas in Silber auf der anderen Tür. Sie war dem Einfahrtsweg gefolgt und hatte vor dem Haupteingang angehalten. Der Fahrer, ein grimmig aussehender älterer Mann mit dem königlichen Wappenauf der Schulter, zog die Bremse an und sprang vom Kutschbock. Dann öffnete er die Kutschentür und platzierte eine Trittstufe
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