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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
Autoren: Rachel Neumeier
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davor, damit sein Fahrgast aussteigen konnte.
    Der Mann, den Maianthe aus der Kutsche steigen sah, passte nicht zu dem Bild, das seine elegante Kutsche hervorrief. Er schien eher ein Soldat oder Gardist als ein Edelmann zu sein. Nach seiner Haltung zu urteilen, war er kultiviert genug, wirkte aber nicht außergewöhnlich. Er trug jedoch das königliche Wappen auf einer Schulter und das des Deltas auf der anderen. Maianthe wich nicht vom Platz am Fenster in ihrem Zimmer. Sie war zwar neugierig auf den Besucher, aber nicht genug, um ihrem Onkel in die Quere zu kommen.
    Sie war überrascht, als Kaeres wenig später seinen Kopf zur Tür hereinsteckte und sagte: »Vater erwartet dich in seinem Arbeitszimmer. Beeil dich, ja?«
    Maianthe starrte Kaeres hinterher, nachdem er wieder verschwunden war. Der Mut verließ sie, denn was immer Onkel Talenes von ihr wollte: Sie wusste, dass sie dem nicht nachkommen konnte oder dies zumindest nicht richtig hinbekäme oder am liebsten gar nicht tun wollte. Vermutlich hatte er die Absicht, sie dem Besucher zu präsentieren. Maianthe wusste, dass sie steif und langsam wirken und Onkel Talenes dann dem Besucher bedauernd erklären würde, sie wäre nicht sehr klug. Kaeres rief nun jedoch ungeduldig vom Flur aus, und so machte sie sich widerstrebend auf den Weg.
    Es überraschte sie nicht, den Besucher bei Onkel Talenes anzutreffen, als sie das Arbeitszimmer betrat. Doch sie war erstaunt über Onkel Talenes’ Miene und Gebaren. Ihr Onkel führte sie gern seinen Freunden vor und redete davon, was er mit dem Nachlass ihres Vaters zu tun gedachte, sobald sie erst mal Teres geheiratet hatte, aber diesmal sah er gar nicht danach aus, als wollte er sie zur Schau stellen. Er wirkte wütend,schien dies aber zu unterdrücken, so als fürchtete er sich davor, seinen Zorn zu deutlich zu zeigen.
    Der Besucher hingegen erweckte den Anschein … dass er Onkel Talenes’ Wut durchaus bemerkte, wie Maianthe fand. Ja, er machte den Eindruck, als wüsste er davon, scherte sich aber nicht im Mindesten darum. Maianthe bewunderte ihn sofort: Sie selbst war einfach immer nur ängstlich und schämte sich, wenn Onkel Talenes auf sie böse war.
    »Maianthe? Tochter von Beraod?«, fragte der Besucher, aber nicht mit einem Unterton, als hegte er den geringsten Zweifel daran, wer sie war. Er betrachtete sie mit lebhaftem Interesse, zeigte jedoch kein Lächeln. Doch sein breiter, ausdrucksstarker Mund sah danach aus, als fiele es ihm leicht zu lächeln. Sie nickte unsicher.
    »Maianthe …«, legte Onkel Talenes los.
    Doch der Besucher hob eine Hand, und Onkel Talenes verstummte.
    Maianthe starrte voll nervösem Staunen auf diesen seltsam mächtigen Fremden und wartete darauf, zu erfahren, was er mit ihr vorhatte. Sie fühlte sich im Moment gefangen – wie im Auge eines lautlosen Sturms –, und sie hatte das Gefühl, ihr ganzes Leben hätte sich auf diesen einen Punkt zugespitzt und jeden Augenblick könnte jetzt der Sturm ausbrechen, wenn der Mann zu reden anfinge. Sie hätte jedoch nicht sagen können, ob ihr vor diesem Sturm graute oder ob sie sich nach seiner Ankunft sehnte.
    »Ich bin Enned, Sohn von Lakas, und stehe im Dienst des Königs und des Delta-Fürsten«, erklärte der junge Mann. »Dein Vetter Bertaud, Sohn von Boudan, Fürst des Deltas durch rechtmäßige Abstammung und Dekret Seiner Majestät Iaor Safiads, hat mir befohlen, dich zu ihm zu bringen. Er hat entschieden, dass du von nun an in seinem Haus leben sollst. Du sollst dichsofort reisefertig machen und noch an diesem heutigen Tag mit mir kommen.« Mit einem Blick auf Onkel Talenes setzte er warnend hinzu: »Dieser Anordnung könnt Ihr Euch nur bei Strafe von Fürst Bertauds tiefstem Missfallen widersetzen.«
    »Das ist unerhört …«, begann Onkel Talenes.
    Der junge Mann hob erneut eine Hand. »Ich tue nur, was mir aufgetragen wurde«, sagte er so streng, dass Onkel Talenes nicht mehr zu protestieren versuchte. »Falls Ihr dieser Anordnung zu widersprechen wünscht, hoher Herr Talenes, müsst Ihr dies dem Fürsten des Deltas vortragen.«
    Maianthe betrachtete lange den Fremden – Enned, Sohn von Lakas –und versuchte zu verstehen, was er gesagt hatte. Endlich fragte sie stockend: »Ich soll Euch begleiten?«
    »Ja«, antwortete Enned, und diesmal lächelte er.
    »Ich kehre nicht hierher zurück?«
    »Nein«, bestätigte der junge Mann. Er sah Onkel Talenes an. »Es wird doch wohl nicht lange dauern, Maianthes Habseligkeiten
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