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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
Autoren: Rachel Neumeier
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Kindermädchen für ihre Nichte ein. Sie behauptete, Maianthe wäre schon zu alt für ein Kindermädchen. Das Kind sollte lieber ein richtiges Hausmädchen haben, meinte sie, ließ jedoch diesen Worten keine Taten folgen. Stattdessen sahen zwei von Tante Erens Mägden abwechselndnach Maianthe, die freilich bemerkte, dass die beiden es nicht gern taten. Das Mädchen bemühte sich, ruhig zu sein und ihnen nicht zur Last zu fallen.
    Maianthes Halbvettern hatten eigene Interessen und Freunde. Sie zeigten nicht das geringste Interesse an dem kleinen Mädchen, das da auf einmal zur Familie gehörte, aber sie ließen sie in Frieden. Onkel Talenes war schlimmer als Tante Eren oder die Jungs. Er zeichnete sich durch eine scharfe, jammernde Stimme aus, bei der Maianthe an Moskitos denken musste, und er war entsetzt – ja wirklich entsetzt –, sie unbeholfen und sprachlos vor sich und vor den Gästen zu sehen, denen er sie vorführen wollte. War Maianthe vielleicht nicht besonders klug? Dann war es sicherlich eine Schande, dass sie auch nicht hübscher war, oder? Wie sehr sie da von Glück sagen konnte, dass ihre Zukunft sicher in seiner Hand lag …
    Maianthe bemühte sich, ihrem Onkel dankbar zu sein, weil er ihr ein Zuhause gab. Aber sie vermisste Tef.
    Spät in dem Jahr, in dem Maianthe zwölf wurde, kehrte ihr Vetter Bertaud vom Königshof ins Delta zurück. Tagelang kannte niemand ein anderes Gesprächsthema. Maianthe wusste, dass Bertaud zu ihren Vettern gehörte und viel älter war als sie selbst. Er war im Delta aufgewachsen und dann fortgegangen; keiner hatte mehr mit seiner Rückkehr gerechnet. Nur war kürzlich etwas geschehen – es hatte Schwierigkeiten mit Casmantium oder mit Greifen gegeben oder irgendwie mit beiden –, und jetzt war Bertaud zurückgekehrt, um hierzubleiben. Maianthe fragte sich, warum ihr Vetter das Delta verlassen hatte, aber sie fragte sich noch mehr, warum er jetzt zurückkehrte. Sie dachte, wenn sie jemals das Delta verließe, würde sie niemals zurückkehren.
    Ihr Vetter Bertaud jedoch trat jetzt sogar sein Erbe als Fürst des Deltas an. Das schien Onkel Talenes zu schockieren und zu kränken, obwohl Maianthe nicht so recht wusste, warum, wennes doch Bertauds Geburtsrecht war. Bertaud übernahm das große Haus in Tiefenau, schickte Maianthes Onkel Bodoranes zurück auf seine persönlichen Liegenschaften und entließ das komplette Personal. Die Entlassung des Personals schien Tante Eren ebenso zu schockieren und zu kränken wie Onkel Talenes die bloße Rückkehr von Bertaud. Beide waren einhellig der Meinung, dass Bertaud selbstherrlich, arrogant und boshaft sein musste. Ja, es war boshaft, den armen Bodoranes nach all seinen Jahren zu entwurzeln – vor allem nach all seinen Dienstjahren, in denen Bertaud ein herrliches Leben am Königshof genossen und sich nicht um das Delta gekümmert hatte. Und dann all diese Leute in die Wüste zu schicken! Aber, na ja, aufgrund seiner Herkunft war Bertaud Fürst des Deltas, und vielleicht fand man ja Mittel und Wege, das Beste daraus zu machen … Man musste sich vielleicht sogar darauf besinnen, dass Bodoranes in mancherlei Hinsicht beklagenswerte Sturheit an den Tag gelegt hatte.
    Da das Delta eine fruchtbare Landschaft war, fragte sich Maianthe, was ihre Tante womöglich damit meinte, all diese Leute wären in die Wüste geschickt worden. Und was genau meinte Onkel Talenes damit, dass er »das Beste« aus der Ankunft des neuen Fürsten machen würde?
    »Wir müssen ihn kennenlernen; mal sehen, was er für ein Mensch ist«, erklärte Onkel Talenes seinem älteren Sohn, der jetzt siebzehn war und sich sehr für Mädchen interessierte, solange es nicht Maianthe war. »Er ist Fürst des Deltas, zum Guten oder Schlechten, und wir müssen uns eine Vorstellung von ihm verschaffen. Und wir müssen höflich sein. Sehr, sehr höflich. Wenn er klug ist, wird er einsehen, wie sehr alle davon profitieren würden, die Zölle auf Linulariner Glas zu erhöhen …« – Onkel Talenes hatte viel Geld in Glas und Keramik des Deltas investiert –, »… und sollte er weniger klug sein, dann hat erwomöglich Verwendung für jemanden, der so klug ist, ihn auf diese Dinge hinzuweisen.«
    Kaeres nickte und schwoll an vor lauter Wichtigkeit, weil sein Vater ihm dies erklärt hatte. Maianthe saß vergessen in einem Sessel in der Ecke und verstand schließlich, dass ihr Onkel den neuen Fürsten des Deltas einzuschüchtern oder zu bestechen plante, sofern er die
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