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Songkran

Songkran

Titel: Songkran
Autoren: Erik Matti
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Prolog
     
    Anfang April, vor einigen Jahren
     
    Der Weißrusse Viktor Karpov fuhr die Landeklappen der Tragflächen aus und drosselte die Geschwindigkeit, um in den Sinkflug eintauchen zu können. Die notwendigen Handgriffe im Cockpit erledigte er routiniert und alleine. Geplagt von einem Magen-Darm-Virus umgarnte sein junger Copilot die Kloschüssel. Seit Stunden pendelte der Kasache zwischen Pilotensessel und Abort hin und her.
    Von früheren Landungen kannte Karpov den Flughafen Don Muang im Norden von Bangkok. Der Zeiger der Spritanzeige bewegte sich auf das Reservefeld zu. Seine Anfänge als Pilot bei Airoflot lagen 25 Jahre zurück. Was damals Unruhe in seinem Magen erzeugt hatte, brachte heute ein überhebliches Schulterzucken zum Vorschein.
    Karpov interessierte sich kaum für den Inhalt der Frachtcontainer in seinem Flugzeug. Ihm genügten die Angaben in den Frachtpapieren: Ausrüstungen für Ölbohrungen. Der Tankstopp sollte so kurz wie möglich verlaufen. Die Aufnahme der 30 schweren Holzkisten lag sieben Stunden zurück. Zwei volle Tage mussten er und seine kasachische Crew in Nordkorea totschlagen, da sich die Anlieferung der Ladung verzögert hatte. In zwölf Stunden sollten in Aden die 30 Tonnen übergeben werden. Bei pünktlicher Lieferung winkte eine stattliche Provision.
    Die Iljuschin schwebte über die Reisfelder und Vororte Bangkoks. Die Maschine durchbrach ein Band von Schleierwolken. Nach einem kaum wahrnehmbaren Vibrieren eröffnete sich ein grandioser Blick über die Menamebene. Die geraden Grenzlinien zwischen abgeernteten Reisparzellen und künstlichen Wasserwegen erzeugten das Muster eines Schachbretts. Nackte, braune Kinder sprangen vom Ufer in einen Khlong, der sich durch hohes Schilf seinen Weg suchte. Die auf der weiten Ebene verstreuten Palmyrapalmen reckten ihre fahlgrünen Schöpfe der Sonne entgegen. In der Mittagshitze flimmerte der graue Asphalt des Highways und ließ die Konturen der wenigen, dort fahrenden Autos verschwimmen.
    Karpov überflog ein buddhistisches Kloster und eine angrenzende Moschee. Deutlich erkannte er den glockenförmigen Tempelturm, den alten Bodhibaum im Klostergarten und das Minarett mit dem Halbmond an der Spitze.
    Er klappte den Schalter für das Fahrwerk um. Polternd bewegten sich die Räder aus dem Rumpf heraus. Der Tower meldete sich und Karpov bestätigte in gutem Englisch, die östliche Landebahn anzusteuern. Die Düsenmaschine warf ihren Schatten auf Schuppen und Lagerhallen internationaler Speditionen; dann schwebte sie über drei kleine Seen an der nördlichen Grenze des Flughafens. Der Signalton des Höhenmessers funktionierte nicht; ein Sicherheitsmangel, an den sich Karpov seit Monaten gewöhnt hatte und deshalb kaum wahrnahm. Intuitiv zählte er laut den Abstand zur Landebahn: „20… 15… 10… 5…“
    Kaum spürbar berührten die Räder der 24 Jahre alten Düsenmaschine den rauhen Asphalt des östlichen Rollfelds. Mit dem Gegenschub verlangsamte Karpov die Geschwindigkeit und ließ die Frachtmaschine bis zum Ende der Landebahn rollen. Er steuerte eine scharfe Linkskurve und fuhr die Iljuschin in Richtung Hangar 5. Dann brachte er sie auf der Halteposition zum Stehen, die ihm der Tower zugewiesen hatte. Seine jahrelange Erfahrung sagte, dass die Maschine frühestens in zwei bis drei Stunden aufgetankt war und wieder abheben konnte.
    Karpov schaltete die vier Düsentriebwerke ab und zündete eine Marlboro-Zigarette an. Der Qualm entwich durch die Nase. Er kratzte sich das kantige Kinn; die Bartstoppeln fingen an zu jucken. Ursprünglich wollte er in seinem Lieblingshotel in Bangkok die lästigen Haare entfernen und anschließend die Gogo-Bars in der Nana Plaza unsicher machen. Der Frust über seinen Samenstau ließ ihn zur nächsten Zigarette greifen. Die kasachische Crew döste derweil auf ihren Hängematten im hinteren Teil des Laderaums, während der Copilot erleichtert auf der Kloschüssel hockte.
     
    Hauptmann Phibun von der thailändischen Grenzpolizei kniete auf dem Boden der Lagerhalle und gab letzte Weisungen an sein achtköpfiges Sondereinsatzkommando, das sich im Halbkreis vor ihm versammelt hatte. Jeder seiner Männer hielt eine Maschinenpistole in den Händen. Dunkle, kugelsichere Westen blähten die drahtigen Körper der Polizisten auf und schwarze Baretts dienten als Kopfbedeckung. In abgehackten Sätzen schwor Phibun jeden Einzelnen seines Teams auf die Erstürmung der Iljuschin ein, bis die Fernsehreporterin laut
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