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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Arbeiten oder Werkzeugen, die sich womöglich noch in Ihrem Besitz befinden. Sowie alle Arten von Kuriositäten.«
    »Ich verstehe.« Das stimmt nicht. Oder genauer gesagt: Joe begreift etwas, kann es aber noch nicht einordnen.
    »Ich bin autorisiert, den Handel mit Ihnen rasch abzuschließen, sodass die Abholung entsprechend zügig veranlasst werden kann. Unsere Ausstellungen werden für gewöhnlich im Januar eröffnet, und es dauert eine Weile, sie vorzubereiten. Zeit ist also essenziell. Sind Sie schon einmal in unserem Museum gewesen?«
    »Nein, es ist mir nicht bekannt.«
    »Das ist es nur wenigen. Eine große Schande. Dabei leisten die Kuratoren wirklich eine hervorragende Arbeit. Sie stellen die Exponate so aus, dass sie ganz wunderbar zur Geltung kommen. Sie sollten uns einen Besuch abstatten.«
    »Es klingt faszinierend.«
    »Wenn ich die infrage kommenden Stücke gesehen habe, kann ich natürlich eine genauere Aussage darüber treffen, was wir Ihnen bezahlen können – aber mein Budget ist nicht unerheblich. Amerikanisches Geld, wissen Sie – kein britisches. Einige Nullen extra, Sie verstehen.«
    »Und gibt es irgendwelche speziellen Stücke, für die Sie sich interessieren? Ich habe noch einige wenige, recht gewöhnliche Werkzeuge, die ihm gehört haben. Aber ich meine, ich hätte auch noch eine ganz besondere Tischklammer, die er für Gravurarbeiten angefertigt hat. Ich fürchte, die besten Sachen hat mein Vater recht informell entsorgt, als mein Großvater noch am Leben war.«
    Oh, was für eine Szene das gewesen war. Daniel Spork, sonst bedächtig und vom Alter gezeichnet, tobte derartig laut, dass sich das Dach hätte heben und die Fundamente hätten erzittern müssen. Sein Sohn sei eine Schlange, ein Possenreißer, ein Betrüger. Er sei ein kriechendes Ungeziefer ohne Vorstellung von Ehre, ohne jedes Verständnis für die edleren Instinkte des Menschen. Er sei verdorben. Und Joes Mutter, die weinend Mathews Arm hielt, flehte den alten Mann an: Sag das nicht, Daniel, bitte! Bitte. Er hat es doch nicht gewusst!
    Aber Daniel Spork war eine Säule aus Flammen. Ein entscheidendes Vertrauen war zerstört worden. Die Welt war nun ärmer – und Mathew, sein eigen Fleisch und Blut, der lügnerische und unverzeihliche Dummkopf, war das schwache Glied in einer unvorstellbar bedeutsamen Kette, ein Umstand, der gar nicht in Worte zu fassen war. Daniel wandte ihm den Rücken zu und schauderte und zitterte und wehrte ihre Hände ab. Und dann ging er in seine Werkstatt hinunter, um die Überreste von Mathews »Ausverkauf« durchzugehen und sich anzuschauen, was noch übrig geblieben war und was sich zurückholen ließ. Erst nach einem halben Tag, nachdem er seine Bücher durchgesehen und kleine Teilchen und Bruchstücke auf seinem Tisch aufgestapelt hatte – während sein Mund noch immer ein bitterer Strich war und die Todesuhr vor ihm auf ihre scheußliche Weise diese schwarzen Momente seines Lebens verstreichen ließ –, beruhigte er sich. Sein Tagebuch, ja, das war da. Seine Skizzenbücher waren bei dem Handel an einen Freund gegangen und konnten ohne Zweifel zurückgeholt werden. Seine Werkzeugkiste war fort – eine geradezu magische Vorrichtung aus Hebeln und Zahnrädern, die sich zu einer Miniaturwerkbank auseinanderfalten ließ –, aber die Werkzeuge selbst waren noch da.
    Nachdem er die Überlebenden der Auktion aufgereiht hatte, begann Daniel auf und ab zu gehen und fahrig herumzufuhrwerken. Er schlug Kontobücher auf, kramte in Kisten und Kästen und stieß einen Schrei der Befriedigung aus, als er schließlich eine Sammlung von Jazz-Schallplatten, alten 78ern, in einem eigens angefertigten Koffer entdeckte.
    »Frankie«, murmelte er. Und dann, mit einem an seinen Sohn gerichteten Knurren: »Deine Mutter!«
    Nur der Anblick von Joe – der ihm damals gerade einmal bis zu den Knien reichte und inmitten all dieser tumultösen und erschreckenden erwachsenen Verwirrung auf dem Boden kauerte – konnte seine Weißglut durchbrechen, aber auch nur, um eine Traurigkeit freizusetzen, die noch unendlich schlimmer war.
    »Nein«, erwidert Mr Titwhistle, »nichts Spezielles. Ungewöhnliche Stücke sind natürlich immer für einen Bonus gut. Alles Idiosynkratische. Selbst das Unpraktische. Oder Verzwickte.«
    Doch seine Hände – die er, die Handflächen nach außen, erhoben hat, um seine Aufrichtigkeit zu vermitteln – verraten ihn. Er zeichnet einen Umriss nach, skizziert beim Sprechen unbewusst etwas in der
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