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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Luft. Etwas, das Joe vor Kurzem erst gesehen hat. Etwas Merkwürdiges, von dessen Existenz Abgesandte aus schottischen Museen zwar theoretisch wissen könnten, dessen Verbindung zu Joe ihnen aber unmöglich klar sein dürfte. Aber davon ganz abgesehen: Was für ein Museum schickt denn bitte schön zwei Typen mit musterlosen Krawatten und leeren Augen für einen derartigen Auftrag den ganzen Weg bis nach London? Hat es die Erfindung des Telefons noch nicht bis nach Edinburgh geschafft?
    Mr Cummerbund ist bislang still geblieben, hat mit großer Aufmerksamkeit zugehört und zugeschaut und sich dann und wann mit unlesbarer Handschrift Notizen gemacht. Die oberen Blätter seines Blocks sind knittrig, weil seine Hände feucht sind und er mit seinem billigen Ballpoint so stark aufdrückt – ein dünnes Plastikteil, das an der einen Seite bereits angebrochen ist und das er sich bisweilen zwischen die Lippen steckt, um darauf herumzukauen. Jetzt nimmt er es dort weg, und der Geruch aus Mr Cummerbunds Mund verschlägt Joe kurz den Atem, eine peinigend ekelerregende Mischung aus alten Pfefferminzbonbons, faulen Zähnen und Nierchen.
    »Rodney«, sagt er scharf. Mr Titwhistle schaut zu ihm hinüber und folgt dann Mr Cummerbunds Blick zurück zu seinen eigenen Fingern. Joe sieht, wie eins unweigerlich aufs andere folgt, und einen Moment zu spät wird ihm klar, was als Nächstes passieren wird: Ertappt schauen Mr Titwhistle und Mr Cummerbund von dem Umriss in der Luft zu Joe, um festzustellen, ob er irgendetwas damit anfangen kann, und erwischen ihn dabei, wie er sie schuldbewusst anblickt. Zwischen den drei Männern entsteht ein Moment des Begreifens. Oh, ja. Jetzt liegen alle Karten auf dem Tisch, nicht wahr? Oder vielleicht nicht alle, aber genug. Sein Nachtmarkt-Ich erwacht erneut; und mit ihm der vergessene Instinkt, der ihn dazu bringt zu lügen, Versprechungen abzugeben, zu verleumden – alles gleichzeitig.
    »Es tut mir leid, Gentlemen«, sagt Joe vertrauensvoll, »Sie bringen mich in eine recht peinliche Lage. Es ist noch keine zwei Tage her, da habe ich ein ähnliches Angebot von einer anderen interessierten Partei bekommen, und heute Morgen hat mein Telefon kaum stillgestanden. Ich habe einige Nachforschungen angestellt, und die Bewerber sind keineswegs alle seriös.« Vor allem ihr beide nicht, aber das behalten wir schön für uns, weil wir möchten, dass sich alle wohl und sicher fühlen und nichts Übereiltes tun. »Deshalb würde ich das Geschäft lieber mit Ihnen abschließen. Vorausgesetzt natürlich, der Preis stimmt.«
    Innerlich sträubt er sich ein wenig. Joe Spork – der neue, geläuterte und gänzlich erwachsene Joe Spork – hat schließlich Prinzipien. Inzwischen. Es gab einmal einen Jungen, der anders gewesen ist – ein Kind, das als Taschendieb unterwegs war und Schmiere gestanden hat; das auf der Suche nach Piratenschätzen durch die Tunnel der Tosher gestürmt ist, in dem sicheren Wissen, dass es dort auch tatsächlich welche gab; dessen schändliche Onkel in der strahlenden Morgendämmerung ein Regenrohr hinaufkletterten, um eine Herzogin um ihre Juwelen zu erleichtern, während Mathew Spork seinen Charme einsetzte und lächelte und sie am Haken zappeln ließ und sein einziger Sohn an einer Wand lehnte, mit seinem Jojo spielte und nach den Freunden und Helfern Ausschau hielt – der Polizei Ihrer Majestät. Er hätte nicht geglaubt, dass er den alten Faden so leicht wiederaufnehmen kann.
    Mr Cummerbund schließt sein Buch und wirft seinem Partner einen Blick zu.
    »Ich bin mir ganz sicher«, murmelt Mr Titwhistle, »dass für die komplette Sammlung eine entsprechende Übereinkunft getroffen werden kann.«
    »Das freut mich sehr. Ihr Glück ist natürlich, dass ich bereits begonnen habe, alles zusammenzustellen. Und mein Glück ist, dass ich nun auch einen angemessenen Käufer gefunden habe.«
    »Wir würden es sehr bevorzugen, wenn sich eine Auktion oder etwas Ähnliches vermeiden ließe.«
    Das ist dir vollkommen egal. Das ist nur ein weiterer Test. Warum testen mich alle? Ich habe nichts, was ihr haben wollt. Nur in einer Hinsicht eben doch.
    In Joes Kopf meldet sich Mathew zu Wort, gibt Kommentare ab und erteilt Rat:
    Verkauf nicht. Noch nicht. Wenn du es ihnen zu leicht machst, durchschauen sie dich .
    Was sollen sie denn durchschauen?
    Was du tatsächlich vorhast.
    Das heißt, ich verkaufe nicht?
    Scheinbar nicht.
    Tarne, verdecke, versteck dich, täusche.
    Ein Tag der Geister, höchst
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