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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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Art.« Die Stimme des Onkels war wieder unsicher geworden. »Immerhin ist es schön, dass er uns dann und wann beehrt.«
    Wenn Mutter von der Arbeit kam, fand sie Biţă an dem Tisch unter dem Birnbaum, an dem wir im Sommer aßen. Er hatte sein altes Sofa vom Dachboden geholt, hatte sich darauf ausgestreckt und rauchte gemächlich seine Zigarette.
    Â»Was habt ihr hier doch für eine geruhsame Stille – ohne Straßenbahnen und ohne die wahnsinnige Hektik in Bukarest.« Und einen Augenblick lang schloss er die Augen unter dem weichen Flattern der Sonnenflecken, die durch das Blätterdach des Birnbaums glitten …
    Â»Wieso bleibst du nicht, wenn es dir so gut gefällt?«, wollte ich ihn fragen. Meine aufsässige Stimme bäumte sich in meiner Kehle, doch ich probierte so lange an der Betonung herum, bis die Wörter zu einem dummen Spruch gerannen.
    Â»Das glaubst nur du!«, antwortete Onkel Ion, während er dafür sorgte, dass Biţăs Glas nicht leer blieb.
    Die erste Flasche Wein, aus der er einschenkte, war noch warm, wie er sie im Konsum gekauft hatte, aber die anderen kühlten am Brunnen in dem Eimer unter dem spärlich rieselnden Wasserhahn.
    Â»Das glaubst nur du«, wiederholte er schleppend mit jener demütigen Überlegenheit des älteren Bruders, der nicht mehr weiß, wie er seine Autorität noch rechtfertigen soll. »Es ist wie überall, nur dass die Dinge sich hier verschärfen und andere Ausmaße annehmen … Vorläufig«, er senkte die Stimme, »herrscht Windstille. Wenn aber dann der Zoff mit den Vermietern losgeht …«
    Â»Ach, macht euch das immer noch zu schaffen, habt ihr das nicht hingekriegt?«, lachte Biţă. »Ihr seid halt Deppen und Hosenscheißer … Geh doch heute Abend mal ins Vorzimmer und schlag Krach, wir drehen das Radio laut auf und bechern die ganze Nacht, der soll bloß kommen und was sagen … Was soll dies Besitzergehabe in unserem Staat, Genosse, brüllen wir ihn an, ich gehe zu deinem Parteisekretär, wir waren Kollegen beim Bezirk seinerzeit, der soll mal prüfen, ob das dein übliches Verhalten ist, zu Hause und am Arbeitsplatz. Und wenn du ihn restlos überzeugen willst …« Er verschluckte sich vor Lachen und redete so laut, dass der ganze Hof widerhallte.
    Onkel Ion rutschte aufgeregt auf dem Stuhl herum und machte ihm stumme Zeichen, er solle still sein, wobei er ängstliche Blicke nach der angelehnten Tür zum Vorzimmer warf.
    Â»Dann zerschlagen wir noch zwei, drei von Margaretas Tellern und kippen den Abfalleimer aus, den du nachts ins Zimmer hereinholst … Verdammt noch mal, ihr müsst ihm eben zuvorkommen, Angriff ist die beste Verteidigung. Wenn du noch nicht einmal so viel weißt, bist du umsonst alt geworden auf dieser Welt.«
    Â»Mach du das mal bei dir zu Hause, aber nicht hier«, antwortete Onkel Ion mit unvermittelter Härte in der Stimme. »Du fährst wieder weg, wir müssen bleiben«, fügte er nach einer Weile zögerlich, gewissermaßen entschuldigend hinzu.
    Aber Biţă hörte ihm nicht mehr zu, er hatte Mutter bemerkt. Sie stemmte sich mit der Schulter gegen das vom Regen gequollene Hoftor, um es aufzustoßen. Sie konnte es nicht bewegen, es schrammte am Boden, nur die obere Ecke schlug gegen den Zaun, und Mutter, in jeder Hand eine schwer baumelnden Einkaufstasche, mühte sich zähneknirschend weiter ab.
    Â»Margareta«, rief Biţă, ohne sich vom Sofa zu rühren, »die Königin von England hat mich wissen lassen, dass sie vorhat, dir den Orden vom Goldenen Sack zu verleihen …«
    Mutters Hände umklammerten krampfhaft die Holzgriffe der Zwillingstaschen, die sie aus einer alten Drillichhose von Onkel Ion akkurat zugeschnitten und auf Kante genäht hatte, ihr Gesicht verzog sich zu einem gequälten mechanischen Grinsen.
    Â»Auch von einem Schlafrock hat sie gesprochen … Sie will ihn für ihr persönliches Museum ankaufen und bietet zehntausend Pfund.«
    Â»Kauf du mir einen anderen dafür«, entgegnete Mutter trocken und setzte sich an den Tisch, zuckte ergeben mit den Schultern und hielt ihm mit einem Seufzer der Entspannung den Becher hin.
    Ich achtete darauf, in ihrer Nähe zu bleiben, während ich die vollen Taschen auspackte. Ein breites Lachen trat gegen meinen Willen in mein Gesicht, ich riss mich sofort
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