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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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schmutzstarrenden Händen das Bündel abgegriffener Geldscheine zückte, um ihm das Wechselgeld herauszugeben, Stück für Stück, wobei er zerstreut und stockend antwortete. Allerdings widersprachen das scheue Lächeln des Onkels, die Blässe des Stadtmenschen im Gegensatz zu dem bartstoppligen, rauen Gesicht des Bauern und vor allem das unsichere, nostalgische Augenblinzeln dem besorgten Unterton der Stimme, den all jene mitklingen lassen, die unter Bauern gelebt haben und meinen, sie wüssten noch, wie man mit ihnen zu reden hat.

Kapitel II
    H in und wieder erschien am Wochenende, wenn wir ihn schon nicht mehr erwarteten, nach mehreren Sonnabenden zermürbender Aufregung, an denen wir, weil wir den Fahrplan kannten, auf das Knarren des Hoftors gewartet hatten, schließlich Biţă, der jüngste Bruder von Onkel Ion und meiner Mutter. Ich mochte seine unverhofften Auftritte und wurde böse, wenn Onkel Ion, sobald er seine Schultern und seinen Kopf über dem Zaun bemerkte, ihm entgegeneilte und mir dabei mit gereizter Freude zuraunte: »Ich begreife nicht, wo dieser Mensch das Talent hernimmt, gerade dann aufzutauchen, wenn es bei uns mit dem Geld hapert. Letzte Woche, als er kommen wollte, da hatte ich gerade mein Gehalt bekommen. Wieso kann er sich nie an sein Versprechen halten?«
    Biţă duftete nach Lavendel, nach Palmolive-Seife und nach gepflegtem, fast noch jungem Mann und palaverte in einem fort, wobei er Onkel Ion in der Küche und auf dem Hof nicht von der Seite wich.
    Â»Du frisst die Bücher nur so, höre ich, ob das wohl stimmt?«, rief er mir zu und beugte sich durch das offene Fenster herein.
    Ich saß im Schlafzimmer, die Hefte auf dem Tisch ausgebreitet, aber die Ohren in seine Richtung gespitzt.
    Â»Die frisst die Bücher nur so, Junge, Junge«, wiederholte er wie für sich selbst.
    Onkel Ion hatte seine Einkaufsnetze genommen und war zum Konsum gegangen, Biţă aber lief ungeduldig im Hof auf und ab. Er faltete ein weißes Taschentuch mit einem Monogramm in der Ecke auseinander und schnäuzte sich anhaltend.
    Â»LetiÅ£ia«, sprach er mich nach einer Weile an. »Was ist das denn, was du da lernst? Der Krieg gegen die Türken und wie wir uns mit den Deutschen herumgeschlagen haben …?«
    Er betete das absichtlich monoton herunter, und wenn sein Blick verstohlen unter den klimpernden Lidern mit ungewöhnlich langen, geschwungenen Wimpern hervorblitzte, traten in seinem sorgfältig rasierten, leicht gedunsenen Gesicht unvermutet die Züge des Kindes hervor, das er gewesen war. Prustend vor Lachen trat ich ans Fenster und sah ihm zu, wie er aus der kleinen schwarzen Reisetasche die InformaÅ£ia , L’Humanité und die neuesten Bücher auspackte.
    Â»Hast du das schon gesehen?«, fragte er Onkel Ion.
    Â»Zu uns kommen sie immer erst später …« Die Augen von Onkel Ion funkelten vor verhaltener Neugier.
    Ich reckte mich, um ihm über die Schulter zu sehen: ein grauer Umschlag, darauf stand Bietul Ioanide . Es war der Roman eines gewissen George Călinescu, von dem ich nur dem Vernehmen nach wusste. Offenbar ein langweiliges Buch, eng bedruckt und ohne ein einziges Bild.
    Â»Hättest du auch gar nicht sehen können«, sagte Biţă mit selbstgefälligem Unterton. »Sie haben es nach einer Woche aus den Buchläden genommen.«
    Er senkte die Stimme noch weiter, und aus seinem Getuschel mit Onkel Ion hörte ich wieder jenes Wort heraus, das uns der junge Vermieter an den Kopf warf: Legionär, Legionäre. Vielleicht um mich loszuwerden, nahm er das Glas Erdbeermarmelade aus dem Koffer, von dem ich, sobald ich allein war, mit der verstohlenen Lust am Sakrileg einen Löffel nach dem anderen voller allzu süßer Früchte essen würde, deren Samenkörner noch lange zwischen den Zähnen knackten.
    Â»Er könnte schon mehr davon bringen«, sagte Mutter beim Anblick des leeren Glases. »Er hat nur diese eine Nichte, und hier kommt er an den gedeckten Tisch.«
    Â»Er reist nicht gerne mit Gepäck«, antwortete Onkel Ion mit unbeteiligter Stimme. »Und du weißt ja, wie er ist …«
    Â»Er wollte es immer eine Nummer größer«, gab Mutter schnell zurück. »Und jetzt ist es natürlich schwer, ihn zu ändern, nachdem du ihn ein Leben lang verwöhnt hast …«
    Â»Er hat sich selbst verwöhnt, das war halt seine
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