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Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin

Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin

Titel: Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Autoren: Ricarda Jordan
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Rupertsberg bei Bingen

Sommer 1206
    Konstanze besaß einen Kupferpfennig. Es war das erste Geld, das sie je in Händen gehabt hatte, und es sollte wohl auch das letzte sein. Aber die kleine Münze bot ihr doch fast so etwas wie Trost und Hoffnung. Gut, am Abend dieses Tages würde sie der Welt entsagen, aber jetzt hatte sie ihren Kupferpfennig, und in Bingen war Jahrmarkt. Schon von Weitem hörte man Musik und Gelächter, das Feilschen der Händler und das Wiehern der Pferde. Konstanze warf ihrem Vater einen bittenden Blick zu.
    »Können wir nicht hingehen? Nur eine Stunde … wir haben doch noch so viel Zeit!«
    Philipp von Katzberg zögerte. »Zur Stunde der Non erwarten sie dich«, sagte er. »Spätestens …«
    Konstanze nickte resigniert. »Aber es ist doch noch nicht einmal Mittag«, wandte sie dennoch ein. »Und ich …«
    Über das Gesicht ihres Vaters flog ein Lächeln. »Du möchtest deinen Kupferpfennig ausgeben, ja? So gedacht war das eigentlich nicht. Du solltest ihn der Kirche spenden. Die Mutter Oberin würde es zu würdigen wissen.«
    Philipp sah seine jüngste Tochter ernst an, aber es fiel ihm sichtlich schwer, an diesem Tag streng mit ihr zu sein.
    »Die Mutter Oberin kriegt schon meine ganze Mitgift!«, begehrte Konstanze auf. »Den Pfennig hat der Herr Gottfried mir gegeben. Er hat nicht gesagt, dass ich ihn spenden muss. Bitte, Vater!«
    Philipp nickte widerstrebend. Gottfried von Aubach, der Graf, auf dessen Burg seine Familie lebte und in dessen Diensten er stand, hatte keine Bedingungen daran geknüpft,als er Konstanze huldvoll zum Abschied beschenkte. Aber natürlich wusste er von ihrer besonderen Gabe, und er hatte sich für ihre Aufnahme auf dem Rupertsberg eingesetzt, obwohl die Katzbergs nur Lehnsleute des Grafen waren.
    »Du weißt doch, dass du nichts behalten darfst«, erinnerte er seine Tochter. »Also kauf keinen Tand, du hättest nur ein paar Stunden, um dich daran zu erfreuen.«
    Ein paar Stunden wären besser als nichts, dachte Konstanze, aber sie hatte ohnehin nicht geplant, ihr Geld für Kleider oder Schmuck auszugeben. Eher dachte sie an kandierte Früchte, gebrannte Mandeln oder andere Süßigkeiten, die sie bislang nie gekostet hatte. Dies war schließlich ihre letzte Gelegenheit dazu, und sie war ein Schleckermaul. Sie hatten den Jahrmarkt fast erreicht, und das Wasser lief dem Mädchen schon im Munde zusammen.
    Von Wasser und Brot zu leben würde Konstanze nicht leichtfallen – aber vielleicht musste sie das ja gar nicht. Womöglich hatte die Äbtissin nur Spaß gemacht, als sie auf das asketische Leben der jungen Hildegard von Bingen verwies, der Konstanze in Zukunft nacheifern sollte.
    Philipp von Katzberg sah seiner Tochter bedauernd nach, als sie kurze Zeit später von einem Marktstand zum anderen tänzelte, ganz erfüllt von dem Wunsch, aus ihrem kleinen Schatz das Beste zu machen. Konstanze war erst zehn Jahre alt, aber sie würde einmal schön werden, mit ihrem fast ebenholzfarbenen glatten Haar, ihrem herzförmigen Gesicht mit den klaren tiefblauen Augen, über die sich wohlgeformte, kräftige dunkle Brauen wölbten. Man hätte sie ebenso gut verheiraten können. Wenn sie bloß nicht so anders wäre … oder wenn seine Frau zumindest darauf verzichtet hätte, das stolz in alle Welt hinauszuposaunen!
    Philipp erstand in einer Garküche ein paar Bratwürste und rief Konstanze dann zu sich, die sich eifrig darüber hermachte. Dabei schwärmte sie von den hübschen Stoffen aus Flandern, die sie an einem der Stände hatte betasten können,und den seltsamen Öllampen, die ein orientalisch wirkender Händler feilbot.
    »Ob ich nicht doch so eine mitnehmen kann?«, fragte sie ohne große Hoffnung. »Es ist doch sicher dunkel in so einer … Klause …«
    »Der Herr wird dich erleuchten«, antwortete Philipp mechanisch. »Du wirst nichts brauchen.«
    Konstanze seufzte, schlang rasch ihr letztes Stück Würstchen herunter und wandte sich wieder dem bunten Treiben des Marktes zu. Eine Zeit lang lauschte sie einem Bader, der mit vielen schönen Worten eine Wundermedizin anpries, und schlenderte dann zu einer Art Bühne weiter, die Gaukler auf ihrem Wagen errichtet hatten. Fasziniert sah sie zu, wie die farbenfroh gewandeten Akrobaten jonglierten und auf Stelzen liefen.
    Konstanze war so vertieft in das Spiel, dass sie erschrak, als sie plötzlich eine Stimme neben sich hörte.
    »Na, kleines Fräulein …möchtest du nicht einen Blick in deine Zukunft tun?«
    Das Mädchen
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