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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon
Autoren: Nicci French
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gewesen. Der Bruder hatte mehreren Handwerkern aus dem Ort und einigen Freunden erzählt, welche Aufgaben seine Schwester bei der Party übernehmen würde. Natürlich ist sie, als das Fest beginnt, schon tot und begraben, aber sie hat eine sehr gute, gleichaltrige Freundin. Ein süßes Mädchen. Sie sehen sich ähnlich und ziehen sich gleich an. Dieses Mädchen ist in der Gegend kaum bekannt, da es in London lebt. Alles, was ich brauchte – was die Story brauchte – war, daß ein oder zwei Leute auf der Party die beiden miteinander verwechselten, und so würde aus einem guten das perfekte Versteck werden.«
    Ich sah über Clauds Schultern hinweg zu Barry, der sich offensichtlich langweilte. Anscheinend hatte er nicht viel für Literatur übrig.
    »Aber ich war doch gar nicht auf der Party, Claud.«
    »Ja, ich weiß. Theo hat es mir erzählt, als ich aus Indien zurückkam. Nun, das ist ein Detail, das ich im Roman ausgelassen habe. Dieser Umstand würde bei dem hieb-und stichfest strukturierten Roman, den ich schreibe, einfach zu unglaubwürdig wirken. Wie du bereits sagtest, warst du nicht auf der Party und konntest mir somit auch nicht das entscheidende Alibi liefern. Doch als Gerald Docherty am Sonntag, dem 27. Juli, über die Brücke am Col ging, um uns beim Zeltabbau zu helfen, hat er dich gesehen und für Natalie gehalten. Damit hattest du nicht nur sehr wirkungsvoll vom Fundort der Leiche abgelenkt, sondern mir gleichzeitig auch ein solch perfektes Alibi verschafft, wie ich es mir selbst nie hätte ausdenken können. Du warst, ohne es zu ahnen, zu meiner Komplizin geworden.«
    »Warum hast du mich geheiratet, Claud? Warum hast du mich geheiratet und Kinder mit mir bekommen?«
    Zum erstenmal wirkte Claud überrascht.
    »Weil ich mich in dich verliebt habe. Ich habe nie eine andere geliebt. Ich habe immer nur dich geliebt. Du bist die Frau für mich. Und ich wollte, daß du mich liebst. Was ich nicht bedacht hatte, war die Tatsache, daß du eines Tages aufhören könntest, mich zu lieben. Alles weitere entwickelte sich aus diesem Versagen.«
    »Und du warst bereit, Alan für deine Freiheit zu opfern.
    War der Brief tatsächlich von Natalie, oder hast du ihn gefälscht?«
    »Es war der Brief, den Natalie an mich geschrieben hat.
    Ich mußte lediglich das Stückchen Papier mit ›Lieber Claud‹ abreißen und einige andere verräterische Worte entfernen. Im übrigen habe ich Alan nicht geopfert. Du hast doch oft genug von seinem Hang zur Theatralik gesprochen. Ich sah, in welche Richtung sich die Dinge entwickelten, und habe der Sache lediglich einen kleinen Schubs gegeben. Er nahm die Rolle bereitwillig an, als er gestand. Und aus dem, was du mir erzählt hast, schließe ich, daß er niemals glücklicher war. Ich bin nicht stolz darauf, wenn du das meinst. Ich fürchte, ich dachte, ich könnte dich damit zurückgewinnen, und das hat womöglich mein Urteilsvermögen leicht getrübt.«
    Claud beugte sich vor, und seine Stimme wurde zu einem kaum vernehmbaren Flüstern.
    »Willst du wissen, was ich wirklich bedaure, Jane?« Ich reagierte nicht. »Wenn du das alles herausgefunden hättest, als wir noch verheiratet waren …« Claud runzelte die Stirn. »Ich meine nicht verheiratet, sondern als wir noch zusammen, richtig zusammen waren, dann hättest du mich verstanden. Nein, sag jetzt nichts. Ich weiß, du hättest es getan. Da ist noch etwas, was ich dir unbedingt sagen will, denn ich weiß, daß du nie wieder hierherkommen und mich besuchen wirst. Es ist schon in Ordnung, Jane. Ich nehm es dir nicht übel. Das einzige, was zählt, ist, daß ich dich noch immer liebe. Du hast nicht gesagt, was du von mir denkst, und das ist vermutlich das Beste, was ich von dir erwarten darf. Vergiß nur eins nicht, Jane: Die Familie und unsere beiden Söhne, das ist mein Geschenk an dich. Du wirst für immer in der Welt leben, die ich dir erschaffen habe.«
    Ich tippte an meinen Ausweis. Als Barry mich hinaus-führte, vermied ich es, Claud anzusehen. Keiner von uns sagte ein Wort.
    Griffith geleitete mich durch alle Korridore zur Eingangspforte zurück. Er reichte mir zum Abschied seine breite Hand.
    »Auf Wiedersehen, Mrs. Martello. Wenn es Ihnen ein Trost ist, ich …«
    »Auf Wiedersehen. Und danke.«
    Als ich nach draußen ging, fiel die Tür hinter mir mit einem dumpfen Knall ins Schloß. Während ich weg war, hatte das Wetter umgeschlagen. Die Sonne schien von einem fast türkisblauen Himmel herunter. Die wenigen trockenen
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