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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum
Autoren: Alexandra Marinina
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hatte Durchfall und musste sich erbrechen, immer wieder bekam sie Schweißausbrüche und wurde leichenblass. Und ihr Vater war nach wie vor nicht zu erreichen.
    »Er ist im Moment nicht da, versuchen Sie es später noch einmal«, sagte man Fistin erneut.
    Allmählich begann er die Hoffnung zu verlieren, dass ihm das Glück hold gewesen war und er tatsächlich ein Druckmittel gegen die Kripo in die Hand bekommen hatte. Ihm schien, das Mädchen könne jeden Moment sterben, und er musste versuchen, etwas für sie zu bekommen, solange es noch nicht zu spät war. Wenigstens irgendeine Kleinigkeit. Und das musste geschehen, solange das Mädchen noch zu retten war. Es durfte nicht sterben. Und wenn es mit der Miliz nicht klappte, dann musste Kolja es eben mit Arsenn versuchen. Die Rückgabe der Geisel gegen die Erfüllung des Vertrags mit Gradow.
    Kolja fuhr zum Club, weil er nur von dort aus Kontakt mit Arsenn aufnehmen konnte. Er hatte schon mehrfach versucht, ihn von anderen Telefonapparaten anzurufen, aber das hatte nie funktioniert. Nur ein Anruf vom Clubtelefon führte dazu, dass Arsenn ihn nach einiger Zeit zurückrief. Fistin war in großer Eile, da für die Kontaktaufnahme eine genaue Uhrzeit festgelegt war. Wenn er eine dringende Mitteilung für Arsenn hatte, musste er sechs Minuten vor der jeweils vollen Stunde anrufen. Jetzt war es 13.45 Uhr. Wenn er es nicht schaffen würde, innerhalb der nächsten sechs Minuten anzurufen, würde er mindestens eine Stunde auf Arsenns Rückruf warten müssen. Ansonsten konnte er innerhalb der nächsten zwanzig Minuten mit seinem Rückruf rechnen.
    Onkel Kolja schaffte es. Als er die Nummer wählte, zeigte die elektronische Uhr in dem kleinen Raum hinter der Sporthalle 13.54 Uhr.
    Um 14.15 Uhr läutete das Telefon, und Fistin riss den Hörer von der Gabel.
    »Hast du etwa Djakow gefunden?«, fragte Arsenn spöttisch.
    »Nein«, erwiderte Kolja. »Aber ich habe Ihre Geisel gefunden. Und ich möchte Ihnen ein Angebot machen. Ich gebe Ihnen das Mädchen zurück, ganz offensichtlich brauchen Sie es dringend, aber dafür erfüllen Sie den Vertrag mit meinem Chef.«
    »Welches Mädchen?«, fragte Arsenn verwundert. »Du redest schon wieder Blödsinn.«
    »Das Mädchen aus dem Lager«, erwiderte Onkel Kolja schadenfroh. »Und mit denen, die Ihre Geisel bewacht haben, habe ich kurzen Prozess gemacht. Nach denen können Sie jetzt lange suchen. Also, nehmen Sie mein Angebot an?«
    »Ich habe keine Ahnung, von welchem Mädchen und von welchem Lager du sprichst«, sagte Arsenn leise und deutlich. »Und überhaupt, Oberhäuptling, du kannst mich am Arsch lecken.«
    Die kurzen Zeichen in der Leitung, die besagten, dass Arsenn aufgelegt hatte, ernüchterten Fistin. Auch das hat nicht geklappt, dachte er verzweifelt. Er musste sich damit abfinden, dass er Arsenn und seine Handlungen nicht verstand. Jetzt dachte er nur noch daran, wie er es anstellen sollte, seinem Boss und dem Mädchen gleichzeitig zu helfen. Er beschloss, zu Slawik zurückzukehren, er wollte noch einmal versuchen, Nadjas Vater, den Milizionär, zu erreichen.
    * * *
    Arsenn hatte von Fistin nichts Neues erfahren. Er hatte am Morgen nicht auf den Anruf des Arztes gewartet, war zum Lager gefahren und hatte dort mit eigenen Augen die Überreste des Blutbades gesehen. Das Mädchen war verschwunden. Es war nicht schwer zu erraten, dass alles dies nicht auf das Konto der Miliz ging, sondern auf das von Onkel Kolja und seinen Männern. Die Miliz hätte auf jeden Fall einen Hinterhalt hinterlassen.
    Kaum war Arsenn nach Hause zurückgekehrt, rief Natalja Dachno an und berichtete von der Tragödie des Vortags. Oleg war tot, Larzew schwer verletzt.
    Man hatte sie und ihren Mann die ganze Nacht in der Petrowka festgehalten und verhört. Die Dachno hatte genug Nerven und Kaltblütigkeit besessen, alles auf Oleg zu schieben. Angeblich war Larzew zu ihm gekommen und nicht zu ihr. Er hatte zwei Stunden auf Oleg gewartet, ohne etwas zu erklären. Der Junge lebte ja sowieso nicht mehr, also spielte es keine Rolle, was man ihm in die Schuhe schob.
    »Was meinst du, wird Larzew überleben?«, fragte Arsenn.
    »Kaum. Die Verletzung ist zu schwer. Aber selbst dann, wenn die Operation erfolgreich verläuft, wird er noch mindestens eine Woche bewusstlos sein und anschließend Invalide bleiben«, erklärte die einstige Chirurgin sachkundig.
    »Dann bleibt also noch mindestens eine Woche Zeit, um alle Spuren hinter dir und deinem Mann zu verwischen«,
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