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Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst

Titel: Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
Autoren: Bernhard Hennen
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Prolog
    … und ein eisiger Winter lag über dem Land. Drei Jahre und drei Tage war der junge Prinz durch die Berge geritten, um nach seiner Liebsten zu suchen. Er hatte in jener Zeit weder sein Haar noch se i nen Bart geschoren. Ein großer grauer Wolfshund, der ihm zugela u fen war, als er die Burg seines Vaters verlassen hatte, war sein einz i ger Begleiter auf der Suche gewesen.
    Der junge Prinz spürte, daß er nun an das Ende seines Weges g e langt war. Das Feuer vor ihm brannte nieder, und die Kälte kroch ihm die Glieder hinauf und hatte fast schon sein Herz erreicht. Der große Hund hob seinen Kopf und blickte zum Prinzen, so als könne er sp ü ren, wie der Tod sich dem Eingang der Höhle näherte.
    »Wo bist du, Feuervogel? Ich weiß nicht mehr, wo ich dich suchen soll«, flüsterte der Königssohn leise. »Du allein weißt, wo meine Liebste verborgen ist, doch nicht einmal dich konnte ich finden.«
    »Du hättest mich rufen sollen, mein Prinz. Ich war bei dir, seit du die Burg deines Vaters verlassen hast«, erklang eine warme Stimme, und als der Königssohn sein müdes Haupt hob, war die Höhle von goldenem Licht erfüllt, und dort, wo eben noch der Wolfshund gelegen hatte, saß ein Vogel, so schön, daß Worte ihn nicht zu beschreiben vermochten. Sein Gefieder war aus lodernden Flammen, und seine Augen funkelten wie Rubine.
    »Sag mir, Feuervogel, wie werde ich meine Liebste wiederfinden?«
    »Es ist die Kälte in dir, die auf das Land gefallen ist. Die Prinzessin findest du in einem Turm aus weißem Marmor, der auf dem Gipfel des höchsten aller Berge steht, doch kein Sterblicher kann seine eisigen Abhänge erklimmen. Dort liegt sie, in einem Sarg aus Diamant, und nur eine Träne, in glühender Sehnsucht vergossen, vermag sie zu befreien.«
    Das Feuer zu Füßen des Prinzen war verloschen, und der König s sohn spürte, wie die Kälte nun mit eisigen Fingern nach seinem He r zen griff. So breitete er die Arme aus und hauchte mit ersterbender Stimme: »Trag mich zum weißen Turm, Feuervogel.« Und die Flügel aus Flammen schlossen sich um den Prinzen, und er ritt hoch über den dunklen Schneewolken bis fast in den Himmel hinein. Die Wäc h ter des Turms aber konnten ihn im strahlenden Licht der Voge l schwingen nicht sehen, und so gelangte er vor den Sarg aus Diamant.
    Lange Zeit stand er still und sah die Sommerkönigin einfach nur an. Ihre Haut war so weiß wie Kirschblüten im Frühling, ihr Haar ro t golden wie der große Fluß bei Sonnenuntergang. Er erinnerte sich an jenen Tag, an dem seine unbedachten Worte ihr Glück zerstört hatten. Und er hatte gewußt, was geschehen würde, noch bevor er es au s sprach, und dennoch konnte er damals seine Zunge nicht im Zaume halten. Eine Träne perlte von seiner Wange und zerstob auf dem di a mantenen Sargdeckel. Es war die erste Träne seit drei Jahren und drei Tagen. In den Bergen ringsherum erklang es wie Donner. Der Di a mant, den kein Schwert der Welt hätte zerbrechen können, zerbarst in tausend Stücke. Unsichtbare Hände hoben die Sommerkönigin auf, und sie wurde davongetragen auf die Insel, die sie vor so langer Zeit verlassen hatte.
    Mit ihr kehrte der Frühling ins Land zurück, und bald trugen die Kirschbäume an den Ufern des großen Flusses wieder schneeweiße Blüten. Die Hirten trieben ihre Herden in die Berge, und das Lachen und die Liebe kehrten in das Land zurück, in dem es so lange Winter gewesen war. Der Königssohn jedoch ward nicht mehr gesehen.
    Drei Jahre und drei Tage vergingen, bis ein Hirte vor die Prinzessin trat und ihr von einer Höhle hoch in den Bergen berichtete, wo er e i nen Mann mit einem Bart aus Eis gefunden hatte, der mit toten A u gen, doch einem Lächeln auf den Lippen, in eine verloschene Feue r stelle starrte. Und inmitten der kalten Asche hatte eine Feder gelegen, so rot wie der Sonnenuntergang.
    Geron, der Märchenerzähler, verneigte sich vor dem König. Noch war es ganz still im großen Saal der Burg. Schließlich hob Gunther die Hände und begann zu klatschen. So als sei ein Bann gebrochen, taten die anderen Adligen und Höflinge es ihm gleich. Nur einer blieb unfähig sich zu rühren und starrte den Märchenerzähler an. Es war Volker von Alzey, der Spie l mann des Königs. Ein junger Ritter mit schulterlangem, blo n dem Haar und verträumten Augen. Er hatte ein feiner geschni t tenes Gesicht als die anderen Krieger bei Hofe, und auch sein Körper schien nicht so massig und gedrungen. Der erste Ei n druck
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