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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori
Autoren: Emma Temple
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anbot? John war
nur gute zwei Jahre älter als Ewan, aber er fühlte sich verantwortlich für ihn.
Als sein Vater noch einmal die Hand hob, schob sich John vor Ewan.
    Â»Jetzt lass ihn in Ruhe. Wir reparieren deine Pacific Miriam
gemeinsam, du wirst in einer Woche nicht einmal mehr sehen, was da passiert
ist.« John drehte sich zu Ewan um und nickte ihm aufmunternd zu. »Das schaffen
wir, mach dir keine Sorgen.« Ewan wagte ein zaghaftes Lächeln. Für den
Bruchteil einer Sekunde wirkte es so, als ob sie wieder eine friedliche Familie
sein könnten.
    Aber der Jähzorn von George Cavanagh war noch nicht besänftigt. Eine
Ader schwoll auf seiner Stirn an, während er sich seinem älteren Sohn zuwandte.
»Der kleine John, immer auf der Seite der Schwachen und Hilfesuchenden … So
wird aus dir nie ein richtiger Geschäftsmann. Und so ein Schwächling soll
irgendwann einmal meine Reederei übernehmen?«
    Â»Ich will deine Reederei doch überhaupt nicht!«, brach es aus John
hervor. »Wenn die einen Krieg braucht, damit wir Geld verdienen, und Roses
Vater nicht nach Hause kommen kann …«
    Dieses Mal traf
George Cavanaghs Hand John. Er schien außer sich vor Wut. »Ein bisschen
mehr Dankbarkeit wäre schon angebracht! Aber du bist wie deine Mutter: Immer
das Gute im Sinn, setzt dich für die Schwachen ein und hast Mitgefühl mit
denen, die es einfach nicht geschafft haben. Und weißt du, was das deiner
Mutter bis heute eingebracht hat? Nichts!«
    Bis zu diesem Moment war John immer der Meinung gewesen, seine
Mutter sei kurz nach der Geburt gestorben. Dann hätte sein Vater sich mit Miriam
zusammengetan, die die Mutter von Ewan war – und die wäre bei der Geburt ihres
Sohnes gestorben. Eine merkwürdige Häufung von Frauen, die im Kindbett starben.
Aber in den Dreißigerjahren gab es nur eine unzureichende medizinische Versorgung
an der Westküste der Südinsel Neuseelands. Also hatte John sich über diese
tragischen Todesfälle wenig Gedanken gemacht. Nur, wenn er Bridget, die neue
Frau seines Vaters, nach Bildern seiner Mutter gefragt hatte, hatte sie ihm hin
und wieder mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht über den Kopf gestrichen
und etwas von »Das hat dein Vater alles vernichtet, die Trauer war zu groß!«
gemurmelt. Wenig später hatte sie eine schwere Lungenentzündung in einem der
wenigen schweren Winter dahingerafft. George Cavanagh hatte nie wieder geheiratet.
    Jetzt wirkte sein Vater alles andere als von Trauer gerührt.
Stattdessen schlug er John noch einmal hart ins Gesicht. »Deine Mutter hat es
nicht einmal geschafft, dass sie dich behalten konnte. Ich habe dafür gesorgt,
dass sie ihren Mann und ihren Reichtum verloren hat – und dann habe ich ihr
auch noch ihren einzigen Sohn genommen. Dich. Einfach, weil ich ihr zeigen
wollte, dass ich sie völlig in der Hand habe. Dass sie verloren hat, sich nicht
hätte mit mir anlegen dürfen. Aber sie hat immer so getan, als sei sie etwas
Besonderes. Bis ich sie eines Besseren belehrt habe …«
    John hob den Kopf. Was redete dieser Mann da in seinem Zorn? »Warum
hat sie ihren Mann verloren? Wie hast du mich ihr genommen?« Das ergab doch
überhaupt keinen Sinn!
    Höhnisch lachte Cavanagh auf. »Du hast wirklich diese Geschichte von
meiner armen verstorbenen Frau geglaubt? Als würde ich jemals einen so jämmerlich
weichen Sohn zeugen können, wie du einer bist.« Noch einmal dieses unheimliche
Gelächter.
    John sah seinen Vater fassungslos an. »Ich bin …?«, fragte er vorsichtig
nach. Er wagte es nicht, den Satz zu vollenden.
    Â»Natürlich nicht mein Sohn«, vollendete Cavanagh den Satz. Er schien
es zu genießen, dem Zehnjährigen die Wahrheit um die Ohren zu schlagen wie
einen nassen Lappen. Jetzt waren Schläge nicht mehr nötig. Viel schlimmer war,
was ihm über die Lippen kam. »Dein Vater war ein freundlicher Minenbesitzer,
der immer nur an das Wohl seiner Mitarbeiter dachte. Ich habe ihm beigebracht,
wie man Geld verdient. Der Trottel wollte aber nicht lernen, hat sich gewehrt. Hat
ihn das Leben gekostet. Das Geld auch. Und seine Frau, diese schöne hochmütige
Ava, die musste alles tun, was ich wollte. Ich hatte die Macht über sie … und
so habe ich sie nach Hause geschickt. Aber ohne dich. Dich habe ich behalten,
ich wollte, dass Denson sogar noch in seinem
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