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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
Autoren: Roman Rausch
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ausgeschöpft«, das waren seine Worte.
    Sie hallen in mir wider. Tausendfach. Sie mischen sich mit dem Hohn meiner Konkurrenten und dem beleidigenden Geschwätz der Jury.
    Einen Lehrling ziehen sie einem Meister vor. Welcher Wahnsinn umgibt mich hier? Das darf nicht sein. Ich weigere mich, das Urteil zu akzeptieren.
    Du sollst dein Potenzial bekommen, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist. Aus der Tiefe meiner Brust erhebt sich zornig eine Stimme:
    Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen, Tod und Verzweiflung, flammet um mich her!

1
    Später würde man berichten, dass es nicht der erste, aber auch nicht der letzte Tote am Mainfrankentheater in Würzburg gewesen war.
    Freddie Sandner raufte sich die Haare. Seit über einer Stunde kamen sie in der ersten Szene über einen bestimmten Punkt nicht hinaus. Auf der Bühne im Großen Saal des Mainfrankentheaters standen drei der Hauptakteure des
Don Giovanni
ratlos herum. Sie verstanden einfach nicht, wie der Regisseur die Umsetzung der Szene wünschte.
    Aber so schnell würde Sandner nicht aufgeben. Sein grenzenloser Optimismus und seine freundliche Art, mit Schauspielern und Sängern umzugehen, waren legendär. Er galt als ein Sonnenschein unter den Regisseuren. Den Launenhaften, gar den Bösartigen zu spielen missfiel ihm zutiefst. Er war der Ansicht, dass Angst kein guter Lehrmeister sei. Stattdessen setzte er auf Begeisterung und Freude an der Arbeit.
    »Alles zurück auf Anfang«, sagte er ruhig und stieg die zwei Stufen hinab in den Orchestergraben. Dort warteten ein leerer Stuhl und seine unruhige Mannschaft. Hier waren alle versammelt, die man bei Proben zu einer Opernaufführung brauchte: Sue, die Pianistin an ihrem Klavier, Rainer, der zweite Kapellmeister und Dirigent des Stückes, Marianne, die Regieassistentin, und Franziska, die Souffleuse. Ihr hatte er erlaubt, statt in ihrem engen Kabuff im Orchestergraben Platz zu nehmen.
    Auf der Bühne gingen die Sänger in Position. Leporello verschanzte sich unter der Treppe, Donna Anna und
Don Giovanni
zogen sich hinter einem Bühnenfenster hoch oben am Ende einer herrschaftlichen Treppe zurück.
    »Wenn wir jetzt alle so weit sind«, rief Sandner zur Bühne hinauf, »dann … bitte schön.«
    Das Licht auf der Bühne erlosch und verwandelte die Szene in einen bedrohlichen Ort. Kerzenschein flackerte aufgeregt die Treppe hinauf zum Schlafzimmer der Donna Anna. Ein lustloser Leporello wartete auf seinen Herrn im dunklen Eck der Treppe; in der Tasche das geheime Verzeichnis der zweitausendfünfundsiebzig Frauen, bereit, die Zahl um eine zu erhöhen.
    Rainer gab Sue den Einsatz.
    Molto allegro. Das Klavier zürnte dem Hinterhalt eines spanischen Edelmannes,
Don Giovanni
, der hinter vorgehaltenem Mantel unerkannt zu flüchten suchte. Sein Opfer in dieser Nacht war die tugendhafte Donna Anna. Barfuß, im seidenen Nachthemd und mit aufgelöstem Haar packte sie ihn am Arm, forderte, seine Identität preiszugeben. Zweifel nagten an ihr. Die Leidenschaft ihres Verlobten Don Ottavio war in dieser Nacht ungewohnt groß gewesen.
    Ihr wütender Sopran schnellte in die Höhe.
    »Hoffe nicht zu entkommen, nur der Tod entreißt dich mir.«
    Anklagend drängte sie zur Aufklärung; ihre Fahrlässigkeit könnte sie ein Leben lang hinter Klostermauern verbannen.
    Über den Rand des Mantels funkelten die Augen
Don Giovanni
s die Betrogene an.
    Ein mächtiger Bariton nahm ihr jegliche Hoffnung.
    »Rasende, du schreist umsonst. Wer ich bin, erfährst du nicht.«
    Aus dem Hintergrund verfolgte Leporello die Szene. Ein tiefer Bariton, nahe an einem Bass, kommentierte das Geschehen.
    »Welch ein Aufruhr! Der Herr in neuen Misslichkeiten.«
    Donna Anna schrie händeringend um Hilfe.
    »Diener! Auf den Verbrecher!«
    Ein ungleicher Kampf begann.
Don Giovanni
zwang sie mühsam in die Knie.
    »Schweig und zittere vor meiner Wut!«
    Donna Anna ließ es geschehen. Ihr schwerer Körper ging von ihr bestimmt zu Boden. Die dünnen Arme des Peinigers mühten sich umsonst.
    »Verbrecher!«, schleuderte sie ihm hasserfüllt entgegen.
    Leporello verzog sich in die hinterste Ecke der Treppe.
    »Man wird sehen, wie dieser Leichtfuß mich ins Unglück stürzen wird.«
    Einsatz
Don Giovanni
. »…«
    Nichts, kein Laut war zu hören,
Don Giovanni
blieb stumm.
    Das Klavier spielte weiter, hatte die Stelle bereits hinter sich gelassen.
    Sandner rieb sich verärgert die Stirn. Dennoch ließ er weiterspielen.
    Der Darsteller des
Don Giovanni
suchte nach
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