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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
Autoren: Roman Rausch
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seinem Text im Klavierauszug, den er unter dem Mantel versteckt hielt. Das laut Notenblatt furiose Terzett schrumpfte zu einem Duett der Donna Anna und des Leporello.
    »Wahnsinnige!«, kam ihm Franziska, die Souffleuse, zu Hilfe.
    »Wahnsinnige …«, nahm
Don Giovanni
dankbar auf.
    Donna Anna fuhr fort, ihre Rache würde grenzenlos sein. »Wie eine verzweifelte Furie werde ich dich verfolgen.«
    Don Giovanni
erstarrte abermals in Tatenlosigkeit.
    »Jetzt pack zu!«, schrie Sandner vom Orchestergraben hinauf.
    Don Giovanni
, in einer Hand die Partitur, kraftlos in der anderen den Arm der Donna Anna, wusste nicht wie. Mit einem dämlichen Lächeln, das nach Erlösung suchte, schaute er in die Reihen vor ihm.
    »Aus!«, schallte es auf die Bühne.
    Die Spannung wich. Das Klavier verstummte. Donna Anna rollte von den Knien auf ihr Hinterteil, wischte sich den Staub von den Händen.
    »War gut?«, fragte Vladimir, der russische
Don Giovanni
, den heranstürmenden Sandner. Hinter ihm im Zuschauerraum meldete sich lautstark ein Handy, eine Zeitung wurde umgeschlagen, und das Rascheln einer Tüte verriet, dass die Proben zum
Don Giovanni
nur wenig Begeisterung auszulösen vermochten.
    Über ihnen in der Galerie verfolgte der Intendant das Treiben auf der Bühne. Sein Blick war leer, hoffnungslos stierte er nach unten. Der Premierentermin in zwei Wochen würde in einem Desaster enden.
    »Ganz ruhig, Vladimir«, sagte Sandner, »bitte keinen Stress.«
    Er bat die Donna Anna nochmals auf die Knie. Vom Schmutz auf der Bühne angewidert, folgte sie der Anweisung nur zögerlich.
    »Schau her«, sagte Sandner zu Vladimir.
    Er beugte sich über Donna Anna, packte zu und zwang sie ganz zu Boden. Kayleen, die australische Darstellerin, stöhnte auf. Er lockerte sofort den Griff, entschuldigte sich mit einem Lächeln.
    »Wenn sie dir sagt: ›Wie eine Furie …‹, dann drückst du sie genau so zu Boden. Verstehst du? Wie einen räudigen Hund. Sie hat es gewagt, dir zu drohen … dir, dem
Don Giovanni
… und der bestimmt, was geschieht. Er ist der Herr der Lage, nicht sie. Also bestraf sie, tu ihr weh.«
    Vladimir war unsicher, wusste nicht, ob er richtig verstanden hatte. »Wehtun … wem?«
    »Na, ihr, der Donna Anna.«
    »Richtig Schmerz?«
    Raunen in den Reihen vor ihnen.
    Sandner setzte ein zweites Mal an. Der zornige Blick Kayleens stoppte ihn. »So, wie ich es dir gerade gezeigt habe.«
    Zu Leporello, der sich unter der Treppe verkrochen hatte:
    »Und du, Roman … Wo steckst du denn schon wieder?«
    Leporello kam aus seinem dunklen Loch unter der Treppe hervor.
    »Roman, zeig mir deine Beteiligung am Geschehen, deine Zerrissenheit, hier vorne auf der Bühne, nicht dort hinten im dunklen Eck, wo dich niemand sieht. Auf der einen Seite musst du deinem Herrn
Don Giovanni
zu Hilfe eilen, auf der anderen bist du ein Hasenfuß, der flüchten will.«
    Der Pole Roman, ein Berg von einem Mann, nickte beflissen, aber sein Blick schweifte haltlos im Raum umher, als sei er ertappt worden.
    »Hast du das verstanden, Roman?« Ein verhaltenes »Ja« kam zurück.
    »Gut. Dann alle auf Ausgangsposition.«
    Sandner ging an seinen Platz, schaute nach oben in die Ränge, nickte dem Intendanten zu, signalisierte, dass er die Sache im Griff hatte, die Premiere nicht gefährdet war, er sie zum erhofften Ereignis dieses Festspielsommers machen würde.
    »Die werden’s nie kapieren«, raunzte seine Assistentin Marianne.
    »Pst«, beschwichtigte er.
    »Dieser Don ist ein Hochstapler. Ich weiß nicht, wie man den engagieren konnte. Und der Leporello hat den IQ meiner Schuhgröße.«
    »Sei jetzt still.«
    »Mach endlich die Augen auf. Die reißen uns noch alle ins Verderben. Wir haben nur noch zwei Wochen.«
    »Ich krieg das schon hin, keine Sorge.«
    Die Assistentin schüttelte verständnislos den Kopf. Sandner zur Bühne: »Sind wir so weit? Dann … bitte sehr.«
    Das Klavier begann erneut mit der wütenden Anklage der Donna Anna.
Don Giovanni
stürzte aus dem Schlafzimmer, Gesicht und Partitur hinter dem Mantel verborgen. Sein Degen, der ihn als Edelmann auszeichnete, baumelte ihm an der Seite. Er hätte eine dritte Hand gebraucht, um auch diese Requisite zu bändigen.
    Don Giovanni
: »Rasende! Du …« Souffleuse: »… schreist umsonst.«
Don Giovanni
: »Wer ich bin …« Souffleuse: »… erfährst du nie.«
    Donna Anna: »Diener! Auf den Verbrecher!« Vorausahnend ging sie auf die Knie.
Don Giovanni
benötigte die Hand für den
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