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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
Autoren: Roman Rausch
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des
Don Giovanni
, unter der Regie von Fred Sandner und der musikalischen Leitung des Generalmusikdirektors und Shootingstars Beat Stiller, auf den Plakatwänden eher verloren.
    Was sich schon bald grundlegend ändern sollte.
    Der Pförtner am Bühneneingang wies ihnen den Weg in den zweiten Stock. Die Kollegen vom Erkennungsdienst seien bereits am Tatort, und der Pförtner würde den Intendanten über ihre Ankunft benachrichtigen.
    Sie nahmen den Weg über das Treppenhaus nach oben. Als sie die schwere Feuerschutztür öffneten, stießen sie auf eine Gruppe Schauspieler, die sich über den Todesfall unterhielt. Sie verstummten augenblicklich, als sie in ihnen Polizeibeamte erkannten. Ihre Augen verfolgten sie misstrauisch die Treppe hinauf.
    Heinlein beugte sich über den Handlauf und musterte das Treppenhaus: ein tiefer Schacht, der von oben durch einfallendes Sonnenlicht erleuchtet wurde und sich über fünf Stockwerke erstreckte.
    »Von außen betrachtet hat man gar nicht den Eindruck, dass das hier so groß ist. Da geht es mindestens zwanzig Meter hoch und nochmal zehn in die Tiefe«, stellte Heinlein fest.
    »Der Kasten wurde in der Nachkriegszeit, 1966, wenn ich mich richtig erinnere, an der Stelle des alten Bahnhofs erbaut«, kommentierte Pia. »Wenn die damals geahnt hätten, dass es mit der Stadt eines Tages so bergab geht, hätten sie bestimmt mehr gespart.«
    »Wie schlimm steht es?«, fragte Kilian.
    »Man sagt, dass das Theater mit den drei Sparten Orchester, Schauspiel und Tanz so nicht länger existieren kann«, antwortete Heinlein. »Die Stadt ist pleite. Wie viele andere auch. Die Kunst trifft es dann zuerst.«
    »Und das bedeutet?«, hakte Kilian nach.
    »Die Gerüchte reichen von Entlassungen bis zur vollständigen Schließung des eigenen Theaterbetriebes«, antwortete Pia. »Und das im zweihundertsten Jahr seines Bestehens.«
    »Gibt es denn auch einen fremden Theaterbetrieb?«, wollte Kilian wissen.
    »Ja, sozusagen ein bespieltes Haus«, erklärte Heinlein.
    »Dabei würde das Theater nur als Räumlichkeit zur Verfügung gestellt, und die Produktionen kämen auf ihrer Tournee eben auch hier vorbei.«
    »Ihr wisst ja gut Bescheid«, sagte Kilian.
    »Wenn du dich öfters hier blicken lassen würdest …«
    Heinlein schritt ein. »Pia, hör auf. Ich kann’s nicht mehr hören.«
    Als sie in den zweiten Stock traten, hörten sie eine Frau schluchzen. Sie kauerte am Boden und wurde von zwei Männern getröstet. Einer von ihnen erblickte die Kriminalbeamten. Eilig kam er ihnen entgegen.
    »Sind Sie die Herren von der Kriminalpolizei?« Heinlein nickte. »Wo finden wir den Toten?«
    Der Mann zeigte auf einen Raum weiter hinten, von dem Licht in den Gang fiel.
    »Wer ist die Frau?«, fragte Kilian.
    »Das ist Kayleen, die Donna Anna«, antwortete er.
    »Sie war die Lebensgefährtin von Freddie, ich meine von Herrn Sandner, dem Regisseur.«
    »Braucht sie ärztliche Hilfe?«, fragte Heinlein.
    Der Mann winkte ab. »Wir kümmern uns um sie, danke.«
    »Und wer sind Sie?«, fragte Heinlein.
    »Sebastian Ludewig, der Dramaturg. Ich bin für den
Don Giovanni
zuständig.«
    »Versammeln Sie bitte alle, die mit dem Opfer vor und zur Tatzeit zu tun hatten, in einem Raum. Wir müssen noch ein paar Fragen stellen. Zuvor möchten wir aber den Tatort sehen.«
    Ludewig nickte und führte sie an der Frau vorbei. Sie blickte kurz auf, als sie sie bemerkte. Ihre Augen spiegelten tief empfundenen Schmerz.
    Der Raum, in dem sie den Toten fanden, war sein Büro. Der Mann saß noch im Stuhl, sein Oberkörper war nach links vorne weggeknickt, Kopf und Schulter wurden von der Tischkante gehalten. Aus der Nase
    war Blut auf den Tisch gelaufen. An der rechten Schläfe zeigte sich ein schwarz verbranntes Einschussloch. Ein dünnes Rinnsal von Blut hatte sich an der Wange entlang seinen Weg nach unten gebahnt. Blutspritzer zogen sich über die dahinter liegende Wand.
    Blut, dachte Kilian, wie lange hatte er es schon nicht mehr gesehen, gerochen? Hatten ihn die paar Tage in den Marken vom elementarsten Begleitumstand seiner Arbeit abbringen können? Ja, sagte er sich, Blutspritzer und tote Menschen spielten keine Rolle mehr in seinem neuen Leben. Er empfand diese Einsicht als belebend, nahezu euphorisierend. Doch jetzt war es wieder da. An der Wand, auf dem Tisch und auf dem Boden. Widerwillig nahm er es zur Kenntnis.
    »Hallo, Schorsch«, sagte einer der Beamten vom Erkennungsdienst, im Polizeijargon EDler genannt. Noch bevor
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