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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
Autoren: Martin Calsow
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Prolog
    Brennerpass, Italien, Montag, 11.   12., 20.25   Uhr
    »Ri ra ruff – wir fahren in das Puff.«
    Aus vierundzwanzig Männerkehlen grölte der dämliche Reim. In einem Bus, durchdrungen von zu scharfem Rasierwasser und zu vielen Hormonen, saßen drei Männer, die diese Fahrt als Arbeit verstanden. Der Bus hatte um den Tegernsee herum in allen Gemeinden Männer an verschneiten Bushaltestellen aufgenommen. Die letzten stiegen in Kreuth, kurz vor der Grenze zu Österreich, ein. Man kannte sich. Man frotzelte miteinander. Und alle freuten sich – bis auf diese drei. Auf fremde Kosten eine Nacht in einem exklusiven Bordell hoch oben am Brenner alles zu vögeln, was da war, so viel zu trinken, wie man wollte, das war ein Vorweihnachtsgeschenk, mit denen die üblichen Sektflaschen und Nackerten-Kalender der Schrauben- und Holzvertreter nicht mithalten konnten. Gemeinderäte, Handwerker, Gastronomen und andere, die im Tal etwas zu sagen hatten, saßen freudig erregt – und das im wahrsten Sinne des Wortes – im Bus. Eingeladen von den dreien, die vorn beim Fahrer saßen, in ihre Smartphones schauten und sich langweilten. Es war ihre vierte Fuhre in diesem Jahr. Mal flogen sie in ein Edelbordell nach Wien, wenn das Niveau der Gäste höher lag, mal war es eben nur eine Busfahrt mit verschwitzten Handwerkern. Es war für die Organisatoren schwierig gewesen, in der Vorweihnachtszeit noch ein freies Bordell zu finden. Aber oben am Brennerpass, da hatte erst vor Kurzem ein Laden aufgemacht. Zielgruppe waren Brummifahrer. Und so sahen die Frauen auch aus, fand einer der Männer, der das Bordell testen musste.
    Sie hatten Innsbruck hinter sich gelassen und bogen nun auf den tief verschneiten Parkplatz vor dem Bordell ein. Der Busfahrer öffnete die Türen. Es zischte. Kalte, trockene Luft strömte in die muffige Wärme herein. Draußen fuhr ein Räumfahrzeug mit gelb blinkendem Warnlicht vorbei. Die Männer zogen ihre Jacken an, die Stimmung war jetzt angespannt. Einer der Organisatoren verteilte draußen rote, gelbe und grüne Bändchen – je nach Engagement und Bedeutung. Sie selbst würden an der Bar warten, bis auch der Letzte der Talbewohner schlaff und meist müde wieder hinaus in die Kälte wankte.
    Alle waren sie da. Bis auf einen. Der hatte abgesagt. Und hätten die drei gewusst, dass ausgerechnet jener sich in den Wald oberhalb des Ortes Bad Wiessee aufgemacht hatte, um dort einen Baum zu fällen – sie hätten hier alles stehen gelassen, um das um jeden Preis zu verhindern.

Kapitel 1
    München, Montag, 18.   12., 02.45   Uhr
    Was für ein Scheißleben.
    Das war der Satz. Er lief in seinem Kopf hinter den geschlossenen Augen wie ein Laufband in den Nachrichten. Seit seiner Kindheit hatte er sich, wenn er aufwachte, immer erst auf seinen Geruchssinn konzentriert. Das war das Organ, das eigentlich erst sehr spät am Morgen einsetzte zu arbeiten. Aber er hatte sich angewöhnt zu warten, den Nerven ihre Zeit zu lassen. Bis der Duft der Bettdecke oder der nachtwarmen Haut der Frau neben ihm in sein Hirn drang. So war es meistens. Jetzt roch er Kardamom. Doch kein Scheißleben.
    »Was machst du denn noch hier?«
    Er musste ein Auge öffnen. Sah auf ein Hemd, das einen zu dicken Bauch nicht zurückhalten konnte. Das war, er wusste es, ohne es zu riechen, Faruk. Sein syrischer Kompagnon.
    »Du kannst hier doch nicht einfach schlafen.«
    Er lag immer noch mit dem Kopf auf der Tischplatte. »Faruk, in Deutschland heißt es ›dürfen‹, nicht ›können‹. Denn dass ich es kann, habe ich bewiesen. Im Übrigen ist das mein Tisch.«
    Unter dem Tisch schlief ein Hund mit langen ledrigen Ohren, einer ebenso langen Nase und kurzem Fell.
    »Max, bitte. Geh nach Hause. Es spricht nicht für unser Essen, wenn einer der Gesellschafter, auch wenn er nur ein stiller ist, hier schläft. Das ist keine Pension. Das ist ein Restaurant. Du hast den ganzen Tag hier verbracht. Trink deinen Kaffee und geh nach Hause, komm.« Der Syrer zog Maximilian Quercher, den LKA-Polizisten und Restaurantbesitzer, hoch. »Fahr nach Hause, dusch, wisch dir dein Selbstmitleid ab und nimm deinen verdammten Hund mit. Noch einmal: Das ist ein Restaurant und kein Tierheim!«
    Faruk hatte kein Mitleid mit Quercher. Der hatte sich vor zwei Jahren in sein arabisches Restaurant eingekauft, ihn damit zweifellos vor der Pleite bewahrt, aber seitdem auch versucht, die arabische Küche mit der süditalienischen zu verbinden. Faruk hatte das Allerschlimmste
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