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Der gelbe Tod

Titel: Der gelbe Tod
Autoren: Robert W. Chambers
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müßten. Ich könnte sie nur mit geschlossenen Augen malen, denn die Farben, deren es bedürfte, findet man nur in Träumen. Für ihre Augen brauche ich das Blau des Himmels, der von keiner Wolke getrübt ist – des Traumlandhimmels. Für ihre Lippen Rosen aus den Palästen von Schlummerland und für ihre Stirn Schneewehen von Bergen, die sich in feenhaften Zinnen zu den Monden auftürmen – höher als unser Mond hier – die kristallklaren Monde von Traumland. Sie ist – wunderschön –, deine Herrin.«
    Die Worte erstarben auf seinen Lippen, und seine Augen fielen zu.
    Auch die Katze war eingeschlafen. Ihr Kopf ruhte auf ihrer räudigen Seite, die Pfoten lagen entspannt und schlaff da.
    II
    »Es ist ein Glück«, sagte Severn, indem er sich aufrichtete und streckte, »daß wir uns über das Mittagessen hinweggerettet haben, denn ich habe dir nicht mehr zu bieten, als was man für einen Silberfranc kaufen kann.«
    Die Katze auf seinen Knien stand auf, machte einen Buckel, gähnte und sah zu ihm auf.
    »Was soll es sein? Ein gebratenes Hähnchen mit Salat? Nein? Vielleicht ziehst du Rindfleisch vor? Natürlich – und ich werde ein Ei mit etwas Weißbrot versuchen. Und nun zu den Getränken. Milch für dich? Gut. Ich werde ein wenig Wasser nehmen, frisch vom Faß«, hier machte er eine Bewegung zur Pumpe im Abfluß hin.
    Er setzte seinen Hut auf und verließ das Zimmer. Die Katze folgte ihm zur Tür, und nachdem er sie hinter sich geschlossen hatte, ließ sie sich nieder, schnupperte an den Ritzen und spitzte bei jedem Geräusch aus dem baufälligen alten Gemäuer die Ohren.
    Die Haustür unten wurde geöffnet und geschlossen. Die Katze blickte ernst, dann einen Augenblick zweifelnd und legte in gespannter Erwartung die Ohren an. Kurz darauf erhob sie sich mit einem Schwanzzucken und begab sich auf eine lautlose Wanderung durch das Atelier. Sie schnupperte an einer Flasche Terpentin und zog sich eilig zum Tisch zurück, auf den sie kurze Zeit später sprang. Als ihre Neugier in bezug auf eine Rolle roter Modelliermasse befriedigt war, kehrte sie zur Tür zurück und hielt ihre Augen auf den Spalt über der Schwelle geheftet. Dann hob sie klagend ihre dünne Stimme.
    Bei seiner Rückkehr blickte Severn würdevoll drein, aber die Katze umstrich ihn freudig und überschwenglich und rieb ihren dürren Körper an seinen Beinen. Sie drängte ihren Kopf begeistert in seine Hand und schnurrte, bis ihre Stimme schrill wurde.
    Er legte ein in braunes Papier gewickeltes Stück Fleisch auf den Tisch und schnitt es mit einem Taschenmesser in Stücke. Die Milch goß er aus einer Flasche, die früher Medizin beinhaltet hatte, in die Schüssel auf dem Herd.
    Die Katze duckte sich davor und schnurrte, während sie sie leerschlabberte.
    Er kochte das Ei und aß es mit einer Scheibe Brot und sah zu, wie sie sich an ihren Fleischstücken zu schaffen machte. Als er sein Mahl beendet hatte und ein Glas mit Wasser an der Pumpe im Spülstein gefüllt und wieder geleert hatte, setzte er sich nieder und nahm sie auf den Schoß, wo sie sich auf der Stelle zusammenrollte und ihre Toilette begann. Wieder begann er zu reden, wobei er sie gelegentlich wie zur Betonung zärtlich streichelte.
    »Katze, ich habe herausgefunden, wo deine Herrin lebt. Es ist nicht sehr weit weg – es ist hier, unter demselben undichten Dach, aber im Nordflügel, den ich für unbewohnt hielt. Der Pförtner hat es mir erzählt. Zufällig ist er heute abend fast nüchtern. Der Metzger in der Rue de Seine, bei dem ich dein Fleisch gekauft habe, kennt dich, und Cabane, der alte Bäcker, erkannte dich mit schimpflichem Hohn. Sie erzählen mir schlimme Geschichten von deiner Herrin, die ich nicht glauben will. Sie sagen, sie sei eitel und flatterhaft und vergnügungssüchtig; sie sagen, sie sei gedankenlos und leichtsinnig. Der kleine Bildhauer aus dem Erdgeschoß, der beim alten Cabane Brötchen kaufte, sprach mich heute zum ersten Mal an, obwohl wir uns immer gegrüßt haben. Er sagte, sie sei sehr gut und sehr schön. Er hat sie nur einmal gesehen und kennt ihren Namen nicht. Ich bedankte mich bei ihm – ich weiß nicht, warum ich mich so herzlich bedankt habe. Cabane sagte: ›In dieser fluchbeladene Straße der Vier Winde hauchen die Vier Winde alle bösen Dinge.‹ Der Bildhauer sah ihn verwirrt an, aber als er mit seinen Brötchen hinausging, sagte er zu mir: ›Ich bin überzeugt, Monsieur, daß sie ebenso gut ist, wie sie schön ist.‹«
    Die Katze hatte ihre
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