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Der gelbe Tod

Titel: Der gelbe Tod
Autoren: Robert W. Chambers
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wie diese Vögel hier, dazu bringen kann, ruhig auf der Hand sitzen zu bleiben, dann ist der Vogel soweit, daß ich ihm beibringen kann, sein Futter holen zu kommen. Ich binde die PÂT an das Ende einer Leine oder LEURRE und lehre den Vogel, zu mir zu kommen, sobald ich den Riemen über dem Kopf kreisen lasse. Anfangs lasse ich die PÂT fallen, wenn der Falke kommt, und er nimmt die Nahrung vom Boden auf. Nach kurzer Zeit wird er lernen, die LEURRE in der Bewegung zu fassen, während ich sie über den Kopf wirbeln lasse oder über den Boden ziehe. Danach ist es ein Leichtes, den Falken zu lehren, ein Wild zu schlagen, wenn man immer daran denkt, zu ›FAIRE COURTOISIE À L’OISEAU‹, das heißt, dem Vogel zu erlauben, daß er von der Beute kostet.«
    Der schrille Schrei eines der Falken unterbrach sie, und sie erhob sich, um die LONGE zurechtzurücken, die sich um den BLOC geschlungen hatte, aber der Vogel hörte nicht auf, mit den Flügeln zu schlagen und zu schreien.
    »Was ist los?« stutzte sie. »Philip, weißt du es?«
    Ich sah mich um und konnte zuerst nichts entdecken, was die Unruhe verursacht haben konnte, die sich nun noch durch die Schreie und das Flattern aller Vögel verstärkte. Dann fiel mein Blick auf den niedrigen Felsen neben dem Bach, von dem sich das Mädchen soeben erhoben hatte. Eine graue Schlange glitt langsam über den Stein, und die Augen in ihrem flachen dreieckigen Kopf glühten wie Kohle.
    »Eine Natter«, sagte sie ruhig.
    »Sie ist doch harmlos, oder nicht?« fragte ich.
    Sie deutete auf die schwarze V-förmige Zeichnung auf dem Rücken.
    »Es ist der sichere Tod«, sagte sie, »es ist eine Viper.«
    Wir beobachteten, wie das Reptil langsam zu der Stelle über den glatten Felsen schlängelte, wo das Sonnenlicht einen großen, warmen Fleck bildete.
    Ich wollte hingehen, um sie mir genauer anzusehen, aber sie klammerte sich an meinen Arm und rief: »Geh nicht, Philip, ich habe Angst.«
    »Um mich?«
    »Um dich, Philip – ich liebe dich.«
    Dann nahm ich sie in die Arme und küßte sie auf die Lippen, aber alles, was ich hervorbrachte, war: »Jeanne, Jeanne, Jeanne.« Und als sie zitternd an meinem Herzen lag, spürte ich etwas an meinem Fuß unten im Gras, aber ich beachtete es nicht. Dann traf wieder etwas meinen Knöchel, und ein scharfer Schmerz durchfuhr mich. Ich blickte in das liebliche Gesicht von Jeanne d’Ys und küßte sie, dann hob ich sie mit aller Kraft in die Arme und schleuderte sie von mir. Ich beugte mich nieder, riß die Viper von meinem Fuß und zertrat ihren Kopf mit der Ferse. Ich erinnere mich, daß ich mich schwach und benommen fühlte – ich erinnere mich, daß ich zu Boden sank. Durch verschleierte Augen sah ich Jeannes bleiches Gesicht dicht über meines gebeugt, und als mir schwarz vor den Augen wurde, konnte ich noch ihre Arme um meinen Hals spüren und ihre weiche Wange an meinen verzerrten Lippen.
    Als ich die Augen öffnete, blickte ich voller Entsetzen um mich. Jeanne war fort. Ich sah den Bach und den niedrigen Felsen; ich sah die zerschmetterte Viper neben mir im Gras, aber die Falken und BLOCS waren verschwunden. Ich sprang auf die Füße. Der Garten, die Obstbäume, die Zugbrücke und der ummauerte Hof waren fort. Ich starrte verständnislos auf einen Haufen verstreuter, efeuüberwucherter, grauer Ruinen, durch die mächtige Bäume sich ihren Weg gebahnt hatten. Meinen verletzten Fuß hinter mir herziehend, kroch ich voran, und als ich mich bewegte, segelte ein Falke aus den Baumwipfeln zwischen den Ruinen auf, schraubte sich in engen Kreisen hinauf, wurde kleiner und verschwand in den Wolken.
    »Jeanne, Jeanne«, rief ich, aber die Stimme erstarb mir auf den Lippen, und ich fiel im Gras auf die Knie. Und wie der Himmel es wollte, fiel ich, ohne es zu wissen, vor einem verwitterten, in Stein gehauenen Schrein der Mutter Gottes nieder. Ich sah das schmerzerfüllte Antlitz der Heiligen Jungfrau in den kalten Stein gemeißelt. Ich sah das Kreuz und die Dornen zu ihren Füßen, und darunter las ich:
     
    »BITTE FÜR DIE SEELE DER
    DEMOISELLE JEANNE D’YS
    DIE DA STARB
    IN JUNGEN JAHREN AUS LIEBE ZU
    PHILIP, EINEM FREMDEN!
    A.D.1573«
     
    Doch auf der eiskalten Steinplatte lag der Handschuh einer Frau, noch warm und duftend.

Das Paradies
der Propheten
    »Wenn nur die Wein und Liebe verachtende Schar
    Im Paradies der Propheten bestehen kann,
    O weh, so fürchte ich, wäre das Paradies der Propheten
    So leer wie meine hohle Hand.«
    Das
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