Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der gelbe Tod

Titel: Der gelbe Tod
Autoren: Robert W. Chambers
Vom Netzwerk:
prägenden Erscheinungen der amerikanischen Phantastik. Sein ›König in Gelb‹ wird für jeden Freund der unheimlichen Geschichte lesenswert bleiben und gehört in das Regal jeden Sammlers dieser Richtung.
     
    Michael Görden Bonn, im März 1982

Der Wiederhersteller des guten Rufes
    »Ne raillons pas les fours; leurfolie dure plus longtemps que la notre ... Voilâ toute la différence.«
    I
    Gegen Ende des Jahres 1920 hatte die Regierung der Vereinigten Staaten das Programm, das in den letzten Monaten von Präsident Winthrops Amtszeit entstanden war, praktisch vollendet. Das Land war scheinbar ruhig. Jedermann weiß, wie die Zoll- und Arbeiterfragen gelöst worden waren. Der Krieg mit Deutschland, ausgelöst durch die Besetzung der Samoa-Inseln durch dieses Land, hatte in der Republik keine sichtbaren Narben hinterlassen, und die zeitweilige Besetzung von Norfolk durch die angreifende Armee war über wiederholte Seesiege und die infolgedessen hoffnungslose Lage der Streitkräfte General von Gartenlaubes im Staate New Jersey in Vergessenheit geraten. Die Belagerung Kubas und Hawaiis hatte sich hundertprozentig ausgezahlt, und das Territorium von Samoa war seinen Preis als Bunkerstandort wert. Das Land befand sich in einem hervorragenden Verteidigungszustand. Jede Küstenstadt war mit ausreichenden Landfestungen gesichert. Die Armee, nach preußischem Vorbild organisiert, war unter dem väterlichen Auge des Generalstabes auf 300 000 Mann verstärkt worden und hatte eine Landreserve von 1 000 000 Mann. Sechs großartige Kreuzer- und Kriegsschiffgeschwader bewachten die sechs Flottenstützpunkte der schiffbaren Seen und ließen eine Dampferreserve zurück, die ausreichend ausgerüstet war, die Heimatgewässer zu kontrollieren. Die Herren aus dem Westen waren schließlich zu der Erkenntnis genötigt, daß eine Akademie zur Schulung von Diplomaten ebenso notwendig ist wie juristische Fakultäten für die Ausbildung von Rechtsanwälten. Infolgedessen waren wir im Ausland nicht länger durch unfähige Patrioten vertreten. Die Nation war wohlhabend. Chicago, für kurze Zeit gelähmt nach einem zweiten großen Feuer, war weiß und herrlich und wunderbarer als die weiße Stadt, die 1893 zu seinem Vergnügen gebaut worden war, aus seinen Trümmern wieder erstanden. Überall wurde schlechte Bauweise durch gute ersetzt, und sogar in New York hatte ein plötzliches Verlangen nach Vornehmheit einen großen Teil der bestehenden Scheußlichkeiten hinweggewischt. Straßen waren verbreitert worden, sauber gepflastert und erleuchtet, Bäume waren gepflanzt worden, Plätze angelegt, hochragende Bauwerke abgerissen und an ihrer Stelle unterirdische Straßen gebaut. Die neuen Regierungsgebäude und Kasernen waren Meisterwerke der Architektur, und die langgestreckte Anlage von Steinquais, von denen die Insel vollkommen umgeben war, war in Parkanlagen verwandelt worden, die sich als wahrer Segen für die Bevölkerung erwiesen. Die Subventionierung des Staatstheaters und der Staatsoper machte sich bezahlt. Die Hochschule für Gestaltung der Vereinig ten Staaten glich ähnlichen europäischen Institutionen. Niemand neidete dem Minister für Bildende Künste seinen Kabinettssitz oder sein Ressort. Der Minister für Forst- und Wildschutz hatte auf Grund der Neuorganisation der berittenen Staatspolizei einen wesentlich leichteren Stand. Die jüngsten Handelsverträge mit Frankreich und England hatten uns zum Gewinn gereicht, und der Ausschluß im Ausland geborener Juden als Maßnahme des nationalen Selbstschutzes, die Errichtung des neuen unabhängigen Negerstaates Suanee, die Überwachung der Immigration, die neuen Einbürgerungsgesetze und die schrittweise Konzentrierung der Macht in der Exekutive, all das trug zur Ruhe und zum Wohlstand im Lande bei. Als die Regierung das Indianerproblem löste und berittene indianische Reiterschwadrone in Eingeborenengewändern die erbarmungswürdigen Verbände ersetzten, die ein ehemaliger Kriegsminister ans Ende von zusammengewürfelten Regimentern geheftet hatte, atmete die Nation befreit auf. Als, nach dem gigantischen Religionskongreß, Bigotterie und Intoleranz zu Grabe getragen war und Freundlichkeit und Nächstenliebe begann, die verfeindeten Sekten zusammenzuführen, dachten viele, daß das Zeitalter des Friedens und des Glücks angebrochen sei, zumindest in der neuen Welt, die schließlich doch eine eigene Welt ist.
    Aber Selbsterhaltung ist das oberste Gebot, und die Vereinigten Staaten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher