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Der gelbe Tod

Titel: Der gelbe Tod
Autoren: Robert W. Chambers
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rechten Winkel von dem dünnen Draht abstanden, waren seine einzige Schwäche. Sie waren aus Wachs und muschelrosa bemalt, während der Rest seines Gesichtes gelb war. Vielleicht hätte er sich besser den Luxus einiger künstlicher Finger für seine linke Hand leisten sollen, die vollkommen fingerlos war, aber es schien ihm nicht lästig zu sein, und er war zufrieden mit seinen Wachsohren. Er war sehr klein, kaum größer als ein zehnjähriges Kind, aber seine Arme waren prächtig entwickelt und seine Schenkel so kräftig wie die eines Athleten. Das Bemerkenswerteste an Mr. Wilde war jedoch die Tatsache, daß ein Mann von so hervorragender Intelligenz und mit solch einem Wissen diesen Kopf haben konnte. Er war flach und spitz zulaufend wie die Köpfe vieler dieser Unglücklichen, die man in Heimen für Schwachsinnige einsperrt. Viele bezeichneten ihn als verrückt, aber ich wußte, daß er ebenso gesund war wie ich.
    Ich leugne nicht, daß er exzentrisch war; seine Manie, diese Katze zu halten und sie so lange zu reizen, bis sie ihm wie ein Dämon ins Gesicht sprang, war sicherlich exzentrisch. Ich konnte nie verstehen, warum er diese Kreatur besaß, oder welches Vergnügen es ihm bereitete, sich mit dieser offensichtlich bösartigen Bestie in seinem Zimmer einzuschließen. Ich erinnere mich, wie ich einmal aufblickte von dem Manuskript, das ich im Schein einiger Talglichter studierte, und wie Mr. Wilde reglos und mit vor Aufregung leuchtenden Augen in seinem Lehnstuhl saß, während die Katze sich von ihrem Platz vor dem Herd erhoben hatte und über den Fußboden genau auf ihn zu kroch. Bevor ich mich rühren konnte, preßte sie ihren Bauch auf den Boden, duckte sich, zitterte und sprang ihm ins Gesicht. Heulend und fauchend wälzten sie sich auf dem Boden übereinander, kratzten und schlugen sich mit den Krallen, bis die Katze aufbrüllte und unter den Wandschrank floh. Mr. Wilde drehte sich auf den Rücken, seine Gliedmaßen zuckten und wanden sich wie die Beine einer sterbenden Spinne. Er war exzentrisch.
    Mr. Wilde hatte sich in seinen Lehnstuhl gezogen, und nachdem er mein Gesicht aufmerksam betrachtet hatte, nahm er ein Buch voller Eselsohren auf und öffnete es.
    »Henry B. Matthews«, las er, »Buchhalter bei Whysot, Whysot und Co., Händler für Kirchenschmuck. Anruf am 3. April. Guter Ruf wurde auf der Rennbahn zerstört. Der gute Ruf soll bis zum 1. August wiederhergestellt werden. Honorarvorschuß fünf Dollar.« Er blätterte die Seite um und fuhr mit seinen fingerlosen Knöcheln die dicht beschriebenen Spalten entlang.
    »P. Greene Dusenberry, Wanderprediger aus Fair-beach, New Jersey. Guter Ruf im Freudenhaus zerstört. Soll so bald wie möglich wiederhergestellt werden. Honorarvorschuß einhundert Dollar.«
    Er hustete und fügte hinzu: »Anruf am 6. April.«
    »Sie sind also nicht in Geldschwierigkeiten, Mr. Wilde«, fragte ich.
    »Hören Sie zu«, er hustete wieder.
    »Mrs. C. Hamilton Chester, Chester Park, New York City. Anruf am 7. April. Guter Ruf in Dieppe, Frankreich, zerstört. Soll bis zum 1. Oktober wiederhergestellt werden. Honorarvorschuß fünfhundert Dollar.«
    »Anmerkung – C. Hamilton Chester, Kapitän der U. S. Staffel ›Lawinw‹ wurde zum 1. Oktober vom Südseegeschwader nach Hause beordert.«
    »Nun«, sagte ich, »der Beruf eines Wiederherstellers des guten Rufes ist einträglich.«
    Er fixierte mich mit seinen farblosen Augen. »Ich wollte nur beweisen, daß ich recht hatte. Sie behaupteten, es sei unmöglich, als Wiederhersteller des guten Rufes Erfolg zu haben, daß, selbst, wenn ich in manchen Fällen Erfolg hätte, es mich mehr kosten würde, als dabei herausspränge. Heute habe ich fünfhundert Angestellte, die schlecht bezahlt werden, aber der Arbeit mit einer Begeisterung nachgehen, die vielleicht aus der Furcht geboren sein mag. Diese Männer gehören allen Kreisen und Schattierungen der Gesellschaft an, einige sind sogar die Säulen der vornehmsten Gesellschaftstempel, andere sind die Stütze und der Stolz der Finanzwelt, wieder andere herrschen unbestritten unter den ›Phantasiebegabten und Talentvollen‹. Ich wähle sie nach meinem Gutdünken unter denen aus, die meine Werbungen beantworten. Es ist einfach genug, sie sind alle Feiglinge. Wenn ich wollte, könnte ich ihre Zahl in zwanzig Tagen verdreifachen. Sie sehen also, daß diejenigen, die das Ansehen ihrer Mitbürger unter ihre Fittiche genommen haben, in meinem Sold stehen.«
    »Sie könnten sich gegen Sie
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