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Der gelbe Tod

Titel: Der gelbe Tod
Autoren: Robert W. Chambers
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Manövern in Westchester County zurück zu seinen neuen Kasernen am östlichen Washington Square. Es war das Regiment meines Vetters. Es war eine ansehnliche Schar in ihren hellblauen, enganliegenden Jacken, den schmucken Husarenmützen und den weißen Reithosen mit gelben Doppelstreifen, in denen ihre Beine wie modelliert wirkten. Alle anderen Schwadronen trugen Lanzen, an deren Metallspitzen gelbe und weiße Wimpel flatterten. Die Kapelle zog zu den Klängen des Regimentsmarsches vorüber, es folgten der Oberst und der Offiziersstab. Die Pferde stampften und drängten sich, und ihre Köpfe nickten im Takt, während die Wimpel an den Lanzenspitzen wehten. Die Kavalleristen ritten im stolzen englischen Sitz und waren kaffeebraun von ihrem unblutigen Feldzug bei den Bauernhöfen von Westchester. Der Klang ihrer Säbel, die an die Steigbügel schlugen und das Klirren der Sporen und Karabiner war Musik in meinen Ohren. Ich sah Louis inmitten seiner Schwadron reiten. Er war der schneidigste Offizier, den ich je gesehen hatte. Mr. Wilde, der auf einen Stuhl am Fenster gestiegen war, sah ihn auch, sagte aber nichts. Louis drehte sich um und schaute genau in Hawberks Laden, als er vorüberritt, und ich konnte die Röte auf seinen Wangen sehen. Ich war sicher, daß Constance am Fenster stand. Als die letzten Kavalleristen vorbeigerasselt waren und die letzten Wimpel in der South 5th Avenue verschwanden, zog Mr. Wilde die Truhe von der Tür.
    »Ja«, sagte er, »es ist an der Zeit, daß Sie sich um Ihren Vetter Louis kümmern.«
    Er schloß die Tür auf, und ich nahm meinen Hut und meinen Stock und trat in den Korridor hinaus. Das Treppenhaus war dunkel. Als ich mich vorantastete, spürte ich unter meinem Fuß etwas Weiches, das fauchte und spuckte, und ich richtete einen mörderischen Schlag gegen die Katze, aber mein Stock traf das Geländer und zersplitterte, während das Untier in Mr. Wildes Zimmer zurückhuschte.
    Als ich wieder an Mr. Hawberks Tür vorüberkam, sah ich ihn noch immer an der Rüstung arbeiten, aber ich blieb nicht stehen, sondern trat hinaus auf die Bleecker Street, folgte ihr bis Wooster, ging um das Gelände der Todeskammer herum und begab mich, nachdem ich den Washington Park durchquert hatte, direkt in meine Zimmer im ßenedick. Hier speiste ich behaglich, las den Herald und den Meteor und ging schließlich hinauf zu dem Stahlsafe in meinem Schlafzimmer und stellte die Zeitkombination ein. Die drei und drei Viertel Minuten, die man warten muß, bis das Zeitschloß sich öffnet, sind kostbare Augenblicke für mich. Von der Sekunde, in der ich die Kombination einstelle, bis zu dem Augenblick, in dem ich die Griffe fasse und die solide Stahltür aufschwenke, befinde ich mich in erwartungsvoller Erregung. Diese Momente müssen sein wie die Zeit, die man im Paradies verbringt. Ich weiß, was mich am Ende der Zeitspanne erwartet, ich weiß, was der massive Safe sicher für mich bewahrt, für mich allein, und die vollkommene Freude der Erwartung wird nicht übertroffen, wenn sich der Safe öffnet und ich aus seinem samtenen Schoß ein Diadem von reinstem Gold und mit glitzernden Diamanten besetzt hebe. Das tue ich jeden Tag, und doch scheint die Freude der Erwartung und schließlich der Berührung des Diadems im Laufe der Zeit nur noch größer zu werden. Das Diadem ist geschaffen für den König der Könige, für einen Kaiser unter Kaisern. Der König in Gelb würde es vielleicht verachten, aber sein königlicher Diener wird es tragen.
    Ich hielt es in den Händen, bis der Safealarm schrillte und legte es dann vorsichtig und stolz an seinen Platz zurück. Langsam ging ich wieder in mein Arbeitszimmer, das den Washington Square überblickt und lehnte mich auf das Fensterbrett. Die Nachmittagssonne strömte auf mein Fenster herab, und eine sanfte Brise spielte in den Zweigen der Ulmen und Ahornbäume im Park, die jetzt voller Knospen und zartgrüner Blätter waren. Ein Schwarm Tauben kreiste um den Turm der Gedächtniskirche, dann und wann leuchteten sie hell auf dem purpurrot gedeckten Dach oder schwenkten hinunter zu dem Lotusbrunnen vor dem Marmorbogen. Die Gärtner arbeiteten in den Blumenbeeten um den Brunnen, und die frisch umgegrabene Erde roch süß und würzig. Ein von zwei schweren Pferden gezogener Rasenmäher rasselte über die grüne Rasenfläche, und Bewässerungswagen sprühten feine Schauer über die Asphaltwege. Um die Statue von Peter Stuyvesant, die 1897 anstelle der Mißgestalt, die
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