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Der gelbe Tod

Titel: Der gelbe Tod
Autoren: Robert W. Chambers
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Garibaldi darstellen sollte, errichtet worden war, spielten Kinder in der Frühlingssonne, und Kindermädchen schoben kunstvolle Kinderwagen mit leichtsinniger Gleichgültigkeit für die kränklichen Insassen vor sich her, was sich höchstwahrscheinlich durch die Anwesenheit von einem halben Dutzend schmucker Dragoner erklären ließ, die sich träge auf den Bänken lümmelten. Durch die Bäume glänzte der Washington-Gedächtnisbogen wie Silber in der Sonne, und weiter entfernt am östlichen Ende des Platzes herrschte farbiges Leben und Geschäftigkeit in den grauen Steinkasernen der Dragoner und den weißen Stallungen der Artillerie.
    Ich blickte zu der Todeskammer auf der gegenüberliegenden Ecke des Platzes hinüber. Ein paar Neugierige schlenderten noch um den vergoldeten Eisenzaun, aber drinnen waren die Wege und der Rasen verlassen. Ich sah zu, wie die Springbrunnen plätscherten und funkelten. Die Spatzen hatten diese neue Badegelegenheit bereits entdeckt, und in den Becken wimmelte es von den graugefiederten kleinen Wesen. Zwei oder drei weiße Pfauen schritten pickend über den Rasen, und eine schmutziggraue Taube saß so bewegungslos auf dem Arm einer der Schicksalsgöttinnen, daß sie ein Teil des steinernen Bildnisses zu sein schien.
    Als ich mich gleichgültig abwandte, erweckte eine leichte Bewegung in der Gruppe der Neugierigen an dem Tor meine Aufmerksamkeit. Ein junger Mann war eingetreten und schritt unruhig auf dem Kiesweg entlang, der zu den Bronzetüren der Todeskammer führte. Er zögerte einen Augenblick bei den Schicksalsgöttinnen, und als er den Kopf zu diesen drei geheimnisvollen Gesichtern hob, flatterte die Taube von ihrer steinernen Niederlassung auf, kreiste einen Augenblick darüber und flog dann nach Osten davon. Der junge Mann schlug die Hände vors Gesicht und sprang dann mit einer undefinierbaren Geste die Marmorstufen hinauf. Die Bronzetüren schlossen sich hinter ihm, und eine halbe Stunde später entfernten sich die Neugierigen, und die aufgeschreckte Taube kehrte zu ihrem Platz in den Armen der Schicksalsgöttin zurück.
    Ich setzte meinen Hut auf und machte vor dem Abendessen einen kleinen Spaziergang im Park. Als ich den mittleren Weg überquerte, kam eine Gruppe Offiziere vorüber, und einer von ihnen rief: »Hallo, Hildred«, und kehrte um, mir die Hand zu schütteln. Es war mein Vetter Louis, der dort lächelnd stand und mit seiner Reitpeitsche an seine gespornten Fersen schlug.
    »Sind gerade aus Westchester zurück«, sagte er. »Haben einen auf ländlich gemacht, Milch und Quark, weißt du, und Milchmädchen mit Sonnenhauben, die ›oho‹ und ›ich glaube nicht‹ antworten, wenn man ihnen sagt, daß sie hübsch sind. Ich sterbe für ein üppiges Mahl bei Delmonico. Was gibt’s Neues?«
    »Nichts«, antwortete ich freundlich. »Ich habe dein Regiment heute morgen zurückkommen gesehen.«
    »So? Ich habe dich nicht gesehen. Wo warst du?«
    »An Mr. Wildes Fenster.«
    »Zum Teufel!« begann er ungeduldig. »Dieser Mann ist total verrückt. Ich verstehe nicht, warum du –«
    Er sah, wie verärgert ich über diesen Ausbruch war und bat mich um Verzeihung.
    »Wirklich, alter Junge«, sagte er, »ich will niemanden schlechtmachen, den du magst, aber ich kann um nichts in der Welt verstehen, was zum Teufel du mit diesem Mr. Wilde gemein hast. Er ist von keinem guten Schlag, um es vorsichtig auszudrücken. Er ist abscheulich verkrüppelt, sein Kopf ist der eines gemeingefährlichen Verrückten. Du weißt selbst, daß er in einem Heim war –«
    »Das war ich auch«, unterbrach ich ihn ruhig.
    Louis sah einen Augenblick lang erstaunt und verwirrt aus, fing sich aber wieder und schlug mir kameradschaftlich auf die Schulter.
    »Du bist vollkommen geheilt«, begann er, aber ich unterbrach ihn wieder.
    »Ich nehme an, du meinst, daß man einfach erkannt hat, daß ich niemals geisteskrank war.«
    »Natürlich, das – das wollte ich sagen«, lachte er.
    Sein Lachen mißfiel mir, weil ich wußte, daß es erzwungen war, aber ich nickte fröhlich und fragte ihn, wohin er ginge. Louis sah seinen Offizierskameraden nach, die nun fast den Broadway erreicht hatten.
    »Wir hatten vor, einen Brunswick Cocktail zu probieren, aber, um die Wahrheit zu sagen, ich war auf der Suche nach einer Ausrede, um anstatt dessen Hawberk zu besuchen. Komm mit, ich werde dich zu meiner Ausrede machen.«
    Wir trafen den alten Hawberk, der, ordentlich in einen neuen Frühlingsanzug gekleidet, vor der Tür
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