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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen
Autoren: Stephen Lawhead
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dezimierten Armee aufzustocken, und unser König hat viel von dieser Freundschaft gewonnen. Magnus ist es auch, dem wir unsere Ländereien in Caithness verdanken.
    Torf war sich dieser Tatsachen durchaus bewusst. Er sagte: »Gottfried und Balduin liebten Bohemund nicht gerade, und Gleiches gilt für seinen Vasallen König Magnus. Aber egal.« Er ließ seinen Blick durch die aufgeräumte, weite Halle schweifen. »Auf jeden Fall war der König gut zu euch, wie ich sehe. Ein Mann muss sich seine Freunde nehmen, wie sie kommen, stimmt's?«
    »Ich denke schon.«
    »Du denkst!« Er lachte mich aus. »Das ist die Wahrheit, und das weißt du auch. In dieser Welt muss ein Mann alle Gelegenheiten wahrnehmen, die sich ihm bieten. Du machst deinen Handel und hoffst auf das Beste. Wäre ich an Murdos Stelle gewesen, hätte ich vermutlich das Gleiche getan. Ich nehme ihm das nicht übel.«
    »Ich bin sicher, er wird vor Freude in die Luft springen, wenn er das hört«, murmelte ich.
    Das hätte ich nicht sagen sollen, denn Torf-Einar fluchte laut und erklärte, er könne meinen Anblick nicht länger ertragen. Ich überließ ihn seiner üblen Laune, ging zu Bett und fragte mich, ob ich jetzt je erfahren würde, was Torf über die Eiserne Lanze wusste.
    orf-Einar war in der Tat zum Sterben nach Hause gekommen. i'W Schon bald wurde offensichtlich, dass er den letzten Rest seiner Gesundheit für die Reise hierher geopfert hatte. Trotz unserer Pflege besserte sich sein Zustand nicht. Stattdessen mussten wir beobachten, wie ihn Tag für Tag ein wenig mehr von seiner Kraft verließ.
    Am nächsten Abend fütterte ich ihn schweigend. Meiner Unhöflichkeit vom Vortag hatte ich es zu verdanken, dass er sich weigerte, mit mir zu reden, und ich fürchtete, er könne sterben, ohne mir vorher alles über die Eiserne Lanze erzählt zu haben. Ich sprach mit meinem Vater darüber, doch dieser schien sich nicht dafür zu interessieren. Er riet mir, die Dinge einfach auf sich beruhen zu lassen. »Es sind nur Geschichten«, bemerkte er leicht verärgert. »Ohne Zweifel kennt er viele derartige Erzählungen, wie sie in Tavernen zum Besten gegeben werden.«
    Als ich darauf bestand, es müsse mehr hinter dieser Geschichte stecken, wurde er wütend und schnappte: »Das sind Lügen! Gefährlicher Unsinn, Duncan! Gott weiß das. Vergiss es einfach!«
    Nun, wie konnte ich? Am nächsten Abend fand ich einen besser gelaunten Onkel vor, und so sagte ich: »Du hast mir erzählt, Gottfried sei ein Dummkopf gewesen, weil er die Heilige Lanze verloren habe. Wenn die Türken ihm einen Hinterhalt gelegt haben, verstehe ich nicht, was er dagegen hätte unternehmen können.«
    »Du weißt ja vermutlich alles«, schnaufte Torf verächtlich. »Warst du dabei?« Spöttisch verzog er das Gesicht. »Wäre Bohemund nicht gewesen, hätten sich die diebischen Türken mit ihrer Beute aus dem Staub gemacht.«
    »Was hat Bohemund getan?«
    »Er hat die Türken verfolgt und nicht weit von Jaffa gestellt«, antwortete Torf. »Sie kämpften die ganze Nacht hindurch, und als am nächsten Morgen die Sonne aufging, hatte Bohemund die Heilige Lanze in seinem Besitz.«
    »Dann war es Bohemund, der die Lanze dem Kaiser gegeben hat«, stellte ich fest.
    »Das hat er«, bestätigte Torf.
    »Verzeih mir, Onkel«, sagte ich vorsichtig, denn ich war fest entschlossen, ihn nicht wieder zu beleidigen; »aber mir scheint, als sei Bohemund nicht besser gewesen als Gottfried.«
    Torf blickte mich stirnrunzelnd an, und ich glaubte schon, er wolle mir nicht antworten. Nach einer Weile sagte er jedoch: »Zumindest hat Bohemund für all den Ärger etwas bekommen. Im Tausch für die Lanze hat er sich die Unterstützung des Kaisers gesichert - und das ist um ein Vielfaches mehr wert als eine einfache Reliquie, das kann ich dir sagen.«
    Das kam mir seltsam vor. Ich konnte nicht verstehen, warum Torf Herrn Gottfried so beschimpfte, während er gleichzeitig Bohemund die Absolution erteilte, dessen Taten mindestens ebenso zweifelhaft waren. Da ich erkannte, dass weitere Fragen ihn nur unnötig erregen würden, verzichtete ich darauf. Doch in der Nacht dachte ich immer und immer wieder darüber nach und beschloss, am nächsten Tag Abt Emlyn in dieser Sache zu befragen.
    Am folgenden Morgen fand ich den guten Abt bei der neuen Kirche, und es gelang mir, mit ein paar gut gewählten Fragen sein Interesse zu erregen. Er blickte von den Zeichnungen auf, die vor ihm lagen, und fragte: »Mit wem hast du gesprochen,
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