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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit
Autoren: Birgid Hanke
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    Prolog
    A usgelassen hüpfte Rieke den Feldweg entlang. Ob die Weidenkätzchen schon so weit waren? Ein paar Zweige mit zartem Grün dazu würden sich in der hohen, schlanken Vase bestimmt gut machen. Ein kostbares Stück aus der Königlich Preußischen Manufaktur und Großvaters ganzer Stolz, ein Erbstück, das nur an ganz besonderen Feiertagen aus der Glasvitrine in der Wohnstube geholt wurde. Großvater hatte ihr noch niemals erlaubt, sie überhaupt anzufassen. Irgendein Geheimnis umgab diese Vase. Dieser Verdacht war Rieke letzte Weihnachten gekommen, als sie mit dem Ärmel ihres Kleids an einem Tannenzweig hängengeblieben war und die Vase beinahe umgestoßen hätte. Fuchsteufelswild war der Großvater geworden, so, wie sie ihn nur ganz selten erlebte. Dann hatte er die Vase oben auf den Schrank gestellt, außer Reichweite seiner Enkelin. Rieke kam es vor, als wollte er das kostbare Stück vor ihr schützen. Nun jedoch stand Ostern vor der Tür.
    Viel zu lang war dieser Winter gewesen, aber heute schien zum ersten Mal die Märzsonne mit ihrer ganzen Kraft. Endlich. Ein kristallklarer Himmel wölbte sich über dem Havelland. In der Feldmark tirilierten bereits die ersten Lerchen hoch oben in der Luft.
    Es war für Friederike Ulrika gar nicht einfach gewesen, Großvater am frühen Morgen die Erlaubnis für diesen Ausflug abzuringen.
    »So ganz alleine, Riekekind?« Bedenklich zog er die Augenbrauen zusammen.
    »Aber Großvater, ich bin doch schon ein großes Mädchen und komme bald in die Schule«, hatte Rieke versucht ihn zu überzeugen. Nur widerwillig erteilte der »olle Prohaska« schließlich seine Genehmigung. Andererseits hatte er volles Verständnis, wenn es das Kind jetzt mit aller Macht nach draußen zog.
    Am liebsten hätte er seine Enkelin ja begleitet, aber in einer halben Stunde erwartete er seinen nächsten Schüler. Emil war der Sohn des Schusters vom Ende der Straße, der nun schon das zweite Jahr dreimal die Woche zum Musikunterricht erschien. Bis zu dessen Ankunft konnte er ja noch ein bisschen vor der Tür stehen bleiben und die ersten Sonnenstrahlen genießen. Hinter dem Gartenzaun entdeckte Prohaska seinen Nachbarn, der bereits den Pflug angespannt hatte. Langsam zog sein schweres Kaltblut die ersten Furchen durch den sandigen Acker.
    »Frühling«, sagte der Großvater und sog die frische Luft tief in sich ein. Schon fast außer Sichtweite entdeckte er seine fröhlich hüpfende Enkelin. »Zum Mittagessen bist du pünktlich zurück«, rief er ihr hinterher. »Hör auf den Glockenschlag der Turmuhr.« Rieke nickte und versetzte damit ihre blonden Locken in einen wilden Tanz. Es war ihr wieder einmal gelungen, sich vor dem obligatorischen morgendlichen Flechten zu drücken. Friederike Ulrika war ein kleiner Wildfang mit großem Freiheitsdrang und einem eisernen Willen.
    Wie Eleonora.
    Prohaska durchzuckte es wie ein Schlag. Da waren sie wieder, der Schmerz, die immer noch unbewältigte Trauer um seine Tochter, die sich bei ihm sogar körperlich bemerkbar machten. Mit beiden Händen fuhr er sich ins Kreuz. Heute war es wieder besonders schlimm. »Verfluchtes Zipperlein«, schimpfte er. Tief gebeugt, mit zusammengepressten Lippen schlurfte er zurück in die bescheidene Wohnstube seines winzigen Häuschens. Das Alter machte ihm mittlerweile doch ganz schön zu schaffen.
    Fast ein Vierteljahrhundert war es her, dass er schwer verwundet aus dem Krieg zurückkehrte. Als ein junger unternehmungslustiger Mann war er damals gen Frankreich gezogen, hatte fest daran geglaubt, dass es Preußen und Österreich gelingen würde, der jakobinischen Blutherrschaft jenseits des Rheins ein Ende zu setzen. Als Invalide kehrte er zurück, dennoch weiterhin gezwungen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Auf seine Gesine konnte er nicht bauen. Sie liebte den Branntwein mehr als den ihr angetrauten Mann und ihre leiblichen Kinder. Kaum war der Vater im Felde eingerückt, hatte sie sie in das Potsdamer Militärwaisenhaus abgeschoben. Ein Jahr nach seiner Rückkehr verstarb sie im Delirium tremens. Niemand weinte ihr eine Träne nach.
    Lang, lang war all das her. Nun lebte er schon über zwanzig Jahre am Rande der preußischen Garnisonsstadt, städtisch genug, um aus den umliegenden Kasernen noch seine Schüler zu rekrutieren, nah genug, sich zum Unterrichten persönlich in eine der Villen des preußischen Adels zu begeben, dabei immer noch so ländlich, seiner geliebten Enkelin eine unbeschwerte Kindheit in
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