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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit
Autoren: Birgid Hanke
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noch niemals gesehen«, verkündete Rieke.
    »Wie heißt du?«, fragte der Fremde.
    »Friederike Ulrika«, sagte Rieke stolz.
    »Oh, was für ein schöner Name. Du machst den preußischen Prinzessinnen mit deiner Tapferkeit tatsächlich auch Ehre«, lobte der Fremde sie lächelnd.
    »Das sagt Großvater auch immer, ich muss meinem Namen Ehre machen«, erzählte Rieke.
    »Du scheinst einen sehr klugen Großvater zu haben«, stellte Riekes barmherziger Samariter immer noch lächelnd fest. »Und wo wohnst du?«
    »Dahinten, am Ortsrand.« Rieke deutete vage in die Richtung, aus der sie gekommen war.
    »Dann werde ich dich nach Hause bringen«, sagte der Fremde, hob sie einfach hoch und stieg über die morastige Wiese zu dem Feldweg, der zurück nach Potsdam führte.
    »Wollen Sie mich wirklich den ganzen Weg bis nach Hause tragen?«, erkundigte sich Rieke neugierig und ignorierte ihren puckernden Knöchel.
    »Was bleibt mir denn anderes übrig?«, fragte der Fremde zurück. »Oder sollte ich dich auf der grünen Wiese einfach deinem Schicksal überlassen?«
    »Neeee«, erwiderte Rieke gedehnt. »Das wäre nicht nett gewesen, überhaupt nicht comme il faut.«
    »Absolument überhaupt nicht comme il faut«, bestätigte der Fremde überrascht. »Du sprichst auch Französisch?«
    »Mon grand-père était dans la guerre«, plapperte Rieke auswendig, genauso, wie es ihr der Großvater beigebracht hatte.
    »Oh hoooo, o, là, là«, machte der Fremde beeindruckt. »Et quelle guerre?«, wollte er dann wissen.
    Das verstand Rieke nun nicht mehr.
    »Touché«, sagte der Fremde lachend. Trotz seiner Last, die er nun schon fast zwei Kilometer durch die Gegend schleppte, schien er sich köstlich zu amüsieren. Oder lachte er Rieke aus? Das hätte sie wiederum nicht ertragen können.
    »Mein Großvater kann Napoleon nicht leiden«, erzählte Rieke weiter, um die Scharte von eben auszuwetzen.
    »Damit ist er nicht alleine«, entgegnete der Fremde kurz. »Mittlerweile ist der alte Wolf jedoch auf St. Helena längst zahnlos geworden«, setzte er geistesabwesend hinzu. Er schien mit seinen Gedanken irgendwo ganz anders. Grübelnd starrte er Rieke ins Gesicht. »Ich kenne dich von irgendwoher. Wenn ich nur wüsste, woher. Du kommst mir so bekannt vor.«
    »Ich habe Sie noch niemals in meinem Leben gesehen«, wiederholte Rieke.
    Fast zwei Stunden lang dauerte es, bis der hilfsbereite Fremde Rieke über Felder, Wiesen und holprige Feldwege getragen hatte. Endlich stand er mit seiner Last auf der Schwelle von Prohaskas bescheidenem Häuschen, aus dem heller Trompetenklang schmetterte.
    »Oh, hier wird musiziert«, stellte Riekes Retter erfreut fest und ließ sie vorsichtig zu Boden gleiten, hielt sie aber immer noch am Ellbogen fest.
    »Mein Großvater unterrichtet Trompete, Posaune und manchmal auch Flöte«, erzählte Rieke stolz.
    »Querflöte?«, fragte der Fremde.
    »Nein, Piccolo, die passt besser in einen Soldatentornister«, antwortete Rieke.
    »Da hast du völlig recht, mein Kind, und wie recht du hast«, pflichtete er ihr bei. Er lachte schallend. Und wieder wusste Rieke nicht, ob er sich amüsierte oder sie auslachte, und wieder nicht, ob sie mitlachen oder sich ärgern sollte.
    Dieser Mann war so anders als all die Männer, die sie bislang kennengelernt hatte. Vielleicht, weil er ein vornehmer Herr war? Ein richtiger Monsieur? Ein vornehmer älterer Monsieur? Nein, so alt war er gar nicht, er war viel jünger als Großvater und auch viel größer.
    Nun zog er die Klingel an der Tür. Ihr Klang schepperte durch das ganze Haus. Das Trompetengeschmetter verstummte. Im Flur war Großvaters schlurfender Schritt zu hören, dann öffnete er. Beim Anblick seiner Enkelin riss er die Haustür sperrangelweit auf.
    »Rieke, na endlich, wo bleibst du denn?«, rief er empört. »Du solltest doch mit dem Zwölfuhrläuten zu Hause sein. Jetzt haben wir fast schon vier Uhr Nachmittag. Wo treibst du dich denn so lang herum? Und wer sind Sie?«, wandte er sich an Riekes Begleiter.
    »Darf ich eintreten? Ich möchte Ihnen alles in aller Ruhe erklären«, bat dieser. Prohaska nickte unwillig.
    Der Fremde hob Rieke kurzerhand wieder hoch und trug sie auf beiden Armen in die Wohnstube, wo er sie vorsichtig auf das an der Stirnwand stehende kleine Sofa gleiten ließ. Mit offenem Mund beobachtete Großvaters Schüler dieses Manöver.
    »Die Stunde ist für heute beendet, Emil«, sagte Prohaska und entließ diesen mit einer befehlenden Kopfbewegung
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