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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit
Autoren: Birgid Hanke
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sie zugaloppierte, schreckte Rieke aus ihren verträumten Überlegungen hoch. Sie schrie vor Entsetzen angesichts des durchgegangenen Pferds. So schnell sie konnte, rannte sie davon. Ein unscheinbarer Feldstein wurde ihr zum Verhängnis. Sie stolperte, knickte mit dem Knöchel um und schlug der Länge nach hin. Glück im Unglück, denn das wild schnaubende Pferd sprang einfach über sie hinweg, ohne sie mit den gefährlichen Hufen zu berühren, und raste blindlings weiter über die Flur.
    Benommen starrte Rieke in den blauen Himmel. Sie stand unter Schock. Oder bin ich ohnmächtig? Eine feine Dame würde jetzt in Ohnmacht fallen, dachte sie. Feine Damen fallen nämlich andauernd in Ohnmacht.
    »Das tun sie meistens, wenn ihnen was nicht passt«, hatte Großvater erzählt. »Wenn sie anders ihren Willen nicht durchsetzen können, fallen sie eben in Ohnmacht. Die Kaiserin Joséphine, die erste Frau von Napoleon, war eine wahre Künstlerin in der Beherrschung dieser Kunst.«
    »Nee, Prohaska, die Frauenzimmer sind immer viel zu fest geschnürt«, hatte Nachbarin Marie ihm widersprochen. »Denen fehlt einfach die Luft zum Atmen, und dann kippen sie eben um.«
    Ich bin weder zu fest geschnürt noch eine feine Dame, also bin ich auch nicht ohnmächtig, sagte sich Rieke und richtete sich auf. Sie wollte aufstehen, aber das rechte Bein knickte einfach unter ihr weg. Der Knöchel tat höllisch weh. Mit einem lauten Schrei sank sie in sich zusammen. Jetzt setzte der Schmerz erst richtig ein. Und was für ein Schmerz! Das war ja kaum zum Aushalten. Sie begann zu weinen. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, nirgendwo Hilfe in Sicht.
    »Hilfe!«, rief Rieke. »Hilfe!« Ihr Ruf verhallte. Sie versuchte noch mal sich aufzurichten. Sie musste probieren, auf einem Bein vorwärtszukommen. Oder besser auf allen vieren? »Großvater, Großvater, so hilf mir doch!«, schluchzte sie und kroch unbeholfen auf dem Boden.
    »Nicht bewegen, nicht weiter bewegen. Um Himmels willen, Kind, bitte halt still!«, vernahm Rieke plötzlich eine fremde Männerstimme. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen, um besser sehen zu können. Vor ihr stand ein hochgewachsener, schlanker Mann, der jetzt neben ihr niederkniete. Behutsam betastete er ihren Knöchel.
    »Aua«, schrie Rieke, »das tut weh, das tut so weh!« Sie begann erneut zu schluchzen.
    »Bitte halt still, du musst jetzt stillhalten«, beschwor sie der Fremde. »Du hast wahrscheinlich den Knöchel gebrochen. Es ist meine Schuld, dass Sultan dich überrannt hat. Er ist mir einfach durchgegangen. Aber der kann was erleben, wenn mein Bursche ihn wieder eingefangen und in den Stall zurückgebracht hat.«
    Suchend schaute er um sich. Direkt an der Böschung fand er einen passenden Stock. Mit einigen geschickten Schnitten eines aus der Hosentasche hervorgezauberten Messers hatte er ihn blitzschnell auf passende Länge gebracht.
    Rieke stöhnte vor Schmerz.
    »Bitte halt still, du darfst dich jetzt nicht bewegen, sonst wird es nur noch schlimmer. Ich werde dir das Bein bandagieren, damit es fixiert ist«, beschwor er das verletzte Kind. Dabei wickelte er sich seinen langen Schal, den er mehrfach um den Hals geschlungen trug, hastig ab und über der eigenen Hand wieder auf. Er legte den Stock an Riekes Bein und wand in Windeseile mit geschickten Fingern den weichen Stoff um Stock und Bein. Mit den Zähnen riss er das letzte Stück in der Mitte durch, so dass er mit den beiden Stoffstreifen eine Schleife binden konnte.
    »Sieht jetzt aus wie ein richtiger Verband«, sagte Rieke und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen.
    »Na ja, mein Feldscher wäre nicht zufrieden«, meinte der Fremde, »aber zur Not muss es eben gehen.« Er lächelte. Es war ein sehr nettes Lächeln. Rieke konnte gar nicht anders, als es zu erwidern.
    »Danke«, krächzte sie.
    »Hast du schlimme Schmerzen?«, erkundigte sich der Fremde.
    »Es geht«, log Rieke unter Tränen.
    »Du hast höllische Schmerzen«, stellte der Fremde fest, »aber willst es nicht zugeben. Bist ein tapferer kleiner Kerl.«
    »Ich bin ein Mädchen«, begehrte Rieke auf.
    »Bei der Blumenpracht, die du um dich herum drapiert hast, wäre ich darauf niemals gekommen«, erwiderte der Fremde lachend und betrachtete sie eingehend. »Wie alt bist du?«, wollte er wissen.
    »Sieben geworden, im Januar«, sagte Rieke.
    »Du kommst mir irgendwie bekannt vor. Haben wir uns schon irgendwo mal gesehen?«
    »Ich habe Sie in meinem ganzen Leben
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